Kohlestrom-Anteil klettert auf 45,5 Prozent
Berlin (dpa) - Trotz der Energiewende kommt inzwischen fast jede zweite Kilowattstunde Strom aus Kohlekraftwerken. Der Anteil von Braun- und Steinkohle an der deutschen Stromerzeugung kletterte 2013 auf 45,5 Prozent.
Das geht aus am Dienstag in Berlin präsentierten Schätzungen des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) hervor. Zugleich sank die Stromproduktion in teureren, aber weniger klimaschädlichen Gaskraftwerken weiter. Der Strommixanteil erneuerbarer Energien stieg 2013 von 22,8 auf 23,4 Prozent.
Die Stromindustrie fordert nun von der Bundesregierung rasch Klarheit bei der Reform der Ökostromförderung. Die Lage für Betreiber konventioneller Kraftwerke werde immer schwieriger.
Gas werde zunehmend aus dem Markt gedrängt, die Investitionen der Branche würden 2014 sinken, erklärte BDEW-Hauptgeschäftsführerin Hildegard Müller. Bei Anreizen, etwa vor der Abschaltung stehende Gaskraftwerke als stille Reserve weiterzubetreiben, hofft die Industrie, dass Union und SPD bis zum Sommer liefern. Der Koalitionsvertrag ist hier vage.
Der Anteil der Atomkraft sank geringfügig von 15,8 auf 15,4 Prozent. 2011 waren acht Meiler nach der Wende infolge des Unfalls von Fukushima stillgelegt worden, die restlichen neun Anlagen sollen schrittweise bis 2022 vom Netz gehen.
Die Abkehr von der Atomkraft wird vor allem von Kohlekraftwerken aufgefangen: Steinkohlekraftwerke trugen laut BDEW vergangenes Jahr voraussichtlich 19,7 Prozent (2012: 18,5) zur Stromproduktion bei. Braunkohleanlagen haben mit 25,8 Prozent (2012: 25,5) weiter den höchsten Anteil.
Bei den Gaskraftwerken sank der Anteil an der Stromproduktion von 12,1 auf nur noch 10,5 Prozent - eigentlich sollten diese flexiblen Anlagen primär den Atomausstieg kompensieren. Wegen der je nach Wetter schwankenden Ökostromproduktion und fehlender Stromspeicher wird weiterhin ein hohes Maß an grundlastfähigen Kraftwerken nötig sein.
Umweltschützer kritisieren wegen der CO2-Emissionen den hohen Kohlestromanteil und fordern bessere Bedingungen für Gaskraftwerke.
Als Hauptgrund für den steigenden Kohlestromanteil gilt der Preisverfall für CO2-Verschmutzungsrechte im EU-Emissionshandel. Das macht die Kohleverstromung billig. Die Braunkohlestromproduktion kletterte 2013 auf den höchsten Wert seit 1990 - bei allerdings sinkendem Braunkohleeinsatz wegen neuer, effizienterer Anlagen. Das beförderte auch einen neuen Stromexport-Rekord. Dieser kletterte - wie schon von der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen veröffentlicht - auf rund 33 Milliarden Kilowattstunden (2012: 23 Milliarden kWh). Ein großer Teil des Stroms ging in die Niederlande, hieß es.
Bei den erneuerbaren Energien kletterte die Stromerzeugung der Solaranlagen um 7,3 Prozent auf einen Anteil von 4,5 Prozent (2012: 4,2). Die Windstromproduktion ging witterungsbedingt um 3,5 Prozent zurück, der Strommixanteil betrug laut BDEW 7,9 Prozent (2012: 8,0). Biomasse hatte 6,8 Prozent Anteil (2012: 6,3), Wasser 3,4 Prozent (2012: 3,5) und Siedlungsabfälle wie 2012 0,8 Prozent Strommixanteil.
Die steigenden CO2-Emissionen, die Deutschlands Klimaschutzziele gefährden, führte Müller vor allem auf die lange Heizperiode Anfang 2013 und den gesunkenen Gas-Anteil zurück. Diese Entwicklung sei keine „Energiewende paradox“, sondern logische Folge: „Da soll niemand überrascht tun“, so die Cheflobbyistin der Stromindustrie. Der Klimaschutz dürfe nicht weiter vor allem den Stromkunden aufgehalst werden. Kohlendioxid könne effektiv bei der Wärmedämmung von Gebäuden und im Straßenverkehr reduziert werden.
Wegen enormer „Altlasten“ bei der teuren Ökostromförderung können die Verbraucher auch nach einer Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes wohl kaum mit niedrigeren Strompreisen auf breiter Front rechnen.