Branche diskutiert Kommt die Versicherungspflicht für E-Bikes?
Essen/Brüssel (dpa) - E-Bikes auf der Überholspur: Im vergangenen Jahr lag der Wert der verkauften Elektro-Fahrräder erstmals über dem herkömmlicher Zweiräder.
Das ergaben Berechnungen des Kölner Marktforschungsinstituts IFH. Mit einem Anteil von 51 Prozent am Gesamtumsatz von rund 3,5 Milliarden Euro ist demnach mehr als die Hälfte des Branchenumsatzes auf die neuen Trend-Räder entfallen. Im Jahr 2016 hatte der Anteil noch bei lediglich 45 Prozent gelegen.
Als Erfolgsgrund gilt dabei die Versicherungsfreiheit der sogenannten Pedelecs, also der E-Bikes, die auf eine Geschwindigkeit von 25 Kilometer pro Stunde gedrosselt sind. Mit ihnen erwirtschaftet die Branche den ganz überwiegenden Teil ihres E-Bike-Geschäfts. Für Aufregung in der Branche sorgt eine von der EU-Kommission angestoßene Diskussion über eine Ausweitung der Versicherungspflicht auch auf die Pedelecs.
Die Kommission weist in einem Änderungsvorschlag der EU-Richtlinie für die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung ausdrücklich darauf hin, dass nicht nur durch Autos, sondern eben auch durch andere elektrisch betriebene Fahrzeuge wie E-Bikes eine Unfallgefahr bestehe. Davon betroffen wären ebenfalls Pedelecs.
Ziel ist es, Opfer von Verkehrsunfällen besser zu schützen. Allerdings ist auch vorgesehen, dass Mitgliedsstaaten solche Fahrzeuge von der Versicherungspflicht ausnehmen können. Für diesen Fall setzt sich die EU-Kommission für die Einrichtung eines Entschädigungsfonds für die Opfer ein.
„Wenn dieser Vorschlag Gesetz wird, ist eine Haftpflicht-Versicherung erforderlich, die Millionen europäischer Bürger davon abhält, Pedelecs zu nutzen“, schreibt der Rechtsexperte des europäische Fahrrad-Lobbyverbands European Cycling Federation (ECF), Adam Bodor, in einem Beitrag für das Fachmagazin „Radmarkt“.
„Wir halten den Vorschlag wegen des geringen Schadenspotenzials durch Pedelecs für unnötig“, hieß es auch beim deutschen Fahrrad-Verband ADFC, der umgehend Widerstand ankündigte. Für den Zweirad-Industrieverband wies Geschäftsführer Siegfried Neuberger auf „sehr negative Auswirkungen“ einer möglichen allgemeinen Versicherungspflicht hin und forderte die Einführung einer offiziellen Ausnahme für Pedelecs. Fahrer von schnelleren E-Bikes brauchen ohnehin heute schon in Deutschland neben einer Betriebszulassung auch ein Versicherungskennzeichen.
Im Moment seien bei der Versicherungsplicht für Pedelecs keine Änderungen geplant, teilte ein Sprecher des zuständigen Bundesjustizministeriums auf Anfrage mit. Nach dem Richtlinienvorschlag der EU-Kommission könne diese Rechtslage beibehalten werden, hieß es in der Stellungnahme.
Wenn eine Haftpflicht käme, könnte das nach Einschätzung von Radmarkt-Chefredakteur Michael Bollschweiler den Absatz zum Einbruch bringen. „Der Charme ist, dass es in rechtlicher Hinsicht ein Fahrrad ist“, sagte er. Die Unkompliziertheit sei Teil des Erfolgs. Das zeige sich unter anderem daran, dass versicherungspflichtige E-Bikes in Deutschland bislang ein Flop seien.
Der Gelsenkirchener Anwalt Arndt Kempgens wies dagegen auf das erhebliche Gefährdungspotential auch durch Pedelecs hin. „Wir erleben in der Praxis, dass die Opfer derartiger Unfälle leer ausgehen“, beklagte er. Zwar haften Unfallverursacher schon heute auch bei Fahrradunfällen, nur seien die Ansprüche derzeit oft schwer durchsetzbar.
Für die Fahrradbranche wäre ein Minus bei den Verkaufszahlen für Elektro-Räder ein deutlicher Rückschlag. Während bei den E-Bikes in der Studie der Kölner Forscher auch für die kommenden Jahre deutliche Zuwächse vorausgesagt werden, ging das Geschäft mit herkömmlichen Mountainbikes im vergangenen Jahr ebenso zurück, wie die Nachfrage nach Stadträdern und Trekking-Bikes.