IHK „Kommunen drehen an Steuerschraube“
Düsseldorf. Die Industrie- und Handelskammer in Nordrhein-Westfalen (IHK) schlägt Alarm: Die Kommunen drehen weiter an der Steuerschraube, so der Vorwurf. Grundlage für die Kritik ist die jüngste Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) zu den Realsteuer-Hebesätzen 2015 aller Gemeinden ab 20 000 Einwohnern.
Die Entwicklung der Hebesätze für die Gewerbesteuer und die Grundsteuer B mache deutlich, wie sehr die aktuelle Finanzsituation der Kommunen in NRW auf die Steuerpolitik durchschlage. „Verlierer sind vor allem Unternehmen“, sagt Achim Hoffmann, Sprecher der IHK in NRW.
Die IHK macht sich Sorgen um die Standortattraktivität des bevölkerungsreichsten Bundeslandes. Während die Hebesätze für Gewerbesteuer und Grundsteuer B im Bundesdurchschnitt um drei Prozentpunkte gestiegen sind, liegt die Steigerung in NRW bei vier Prozent. Mit im Mittel 465 Punkten haben nur Hessen (466) und Hamburg (470) höhere Hebesätze. Die Schere zwischen den Kommunen gehe zudem laut IHK immer weiter auf. Die drei „Spitzenreiter“ liegen alle in NRW, Oberhausen (550), Marl (530) und Hagen (520). Bei den niedrigsten Hebesätzen liegt Monheim (285) knapp hinter Eschborn (Hessen/280).
Noch deutlicher fällt der Anstieg bei der für Unternehmen relevanten Grundsteuer B aus. In den NRW-Kommunen stiegen laut IHK die Hebesätze um durchschnittlich 44 Prozentpunkte — doppelt so stark wie im Bundesdurchschnitt (18). Mit aktuell 810 Punkten liegen die Hebesätze der Grundsteuer B durchschnittlich mehr als 220 Punkte vor dem nächstfolgenden Bundesland Bremen (572) und doppelt so hoch wie in Schleswig-Holstein, dem Land mit dem niedrigsten Wert (404).
Die Stadt Krefeld hat nach fast 30 Jahren stabiler Steuersätze im Haushalt 2015 eine Erhöhung des Gewerbesteuer-Hebesatzes von 440 auf 480 Prozentpunkte und eine Erhöhung der Grundsteuer B von 475 auf 533 Punkte beschlossen. Stadtkämmerer Ulrich Cyprian befürchtet dadurch keine Nachteile: „Ich bin nach wie vor der Auffassung, dass die Gewerbesteuer ein wichtiger Punkt für Unternehmensentscheidungen ist, aber nicht der einzige. Wir können als Stadt mit anderen Standortvorteilen punkten, zum Beispiel mit der sehr guten Infrastruktur und Verkehrsanbindung, der sehr guten Wirtschaftsförderung, an der sogar Unternehmen beteiligt sind, und mit einem attraktiven Wohn- und Arbeitsstandort.“
„Die Grundsteuer anzuheben, ist in der Regel ein Akt der Verzweiflung“, erklärt dagegen Solingens Stadtkämmerer Ralf Weeke (SPD). Die Unterschiede bei den Hebesätzen machen nach seinen Angaben deutlich, wie groß die Unterschiede bei der finanziellen Ausstattung der Kommunen bundesweit ist. Da die Städte in NRW durch den Stärkungspakt Stadtfinanzen verpflichtet sind, in den nächsten Jahren mit Hilfe des Landes den Haushaltsausgleich zu schaffen und sie bereits seit Jahrzehnten Sparrunden hinter sich hätten, bleibe ihnen oft nichts anderes übrig, als die Steuern zu erhöhen.
In Solingen liegt der Hebesatz für die Grundsteuer B derzeit bei 590 Punkten. Für 2018 ist eine Anhebung auf 690 Punkte beschlossen. Sollten erhoffte Hilfen des Bundes ausbleiben, käme eine Erhöhung um weitere 71 Punkte hinzu. Die Gewerbesteuer (475 Punkte) soll nicht erhöht werden. Nach Weekes Angaben sind der Bund und das Land NRW „massiv gefragt“. Mit gutem Beispiel könnten sie bei der Finanzierung der Flüchtlingshilfe vorangehen. Derzeit tun sie dies laut Weeke nicht.
Selbst im mit hohen Steuereinnahmen lange verwöhnten Düsseldorf muss mittlerweile gespart werden. Der Etat-Entwurf von OB Thomas Geisel für 2016 weist ein Defizit von etwa 35 Millionen Euro auf, das so gerade noch einmal aus der Rücklage gestopft werden kann. Dennoch bleiben Steuererhöhungen in der Landeshauptstadt tabu — genau wie in den vergangenen 15 Jahren. Dafür steht vor allem die FDP als Mitglied der Ampel-Koalition mit SPD und Grünen. Und weil die Liberalen ihre Mitwirkung in der Ampel an ein Nein zur Erhöhung von Gewerbe- oder Grundsteuer geknüpft haben, stehen auch Geisel, SPD und Grüne dazu.