Neues Dieseltreffen in Berlin Kommunen wollen Weichenstellungen für sauberere Luft
Berlin (dpa) - Im Kampf gegen drohende Diesel-Fahrverbote erhoffen sich Kommunen wichtige Weichenstellungen von einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Im Mittelpunkt steht ein Fonds in Höhe von einer Milliarde Euro.
Mit dem Geld sollen Projekte in Städten bezahlt werden, um die Luft zu verbessern und drohende Diesel-Fahrverbote doch noch zu verhindern. Vor dem Treffen bei Merkel hatte es zunehmend Kritik an der schleppenden Umsetzung des vor Monaten beschlossenen Fonds gegeben.
In vielen Städten drohen Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge, weil Grenzwerte beim Ausstoß des als gesundheitsschädlich geltenden Stickoxids (NOx) anhaltend überschritten werden. Bei den Projekten der Städte geht es zum Beispiel darum, Busflotten auf umweltfreundliche Antriebe umzurüsten oder Elektromobilität mit mehr Ladestationen zu fördern.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund kritisierte: „Bisher sehen wir viel Bürokratie, ohne dass die in Aussicht gestellten Finanzmittel auch nur in Ansätzen vorhanden wären.“ Auch der Deutsche Städtetag verlangte schnelle Sofortmaßnahmen für eine bessere Luft. Bei dem Treffen im Kanzleramt müsse ein Eckpunktepapier zur Verteilung der Mittel aus dem Dieselfonds beschlossen werden.
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) äußerte sich unzufrieden über das bisher Erreichte. „Die Dieselgipfel haben bisher nichts gebracht“, sagte Müller dem „Handelsblatt“ zu den geplanten Maßnahmen für bessere Luft. „Wir haben vom Bund wenig Substanzielles gehört, auch nicht, wie die versprochenen Fördermittel in die Länder und Kommunen gelangen sollen.“ Ihm sei nicht klar, wie so Fahrverbote verhindert werden sollten, fügte er hinzu.
Anfang August hatten Bundesregierung und Autoindustrie bei einem ersten „Dieselgipfel“ beschlossen, den Fonds „Nachhaltige Mobilität für die Stadt“ aufzulegen. Der Fonds soll ein Volumen von einer Milliarde Euro haben, davon soll die Autoindustrie 250 Millionen Euro zahlen, den Rest der Bund. Bisher haben der VW-Konzern, BMW sowie Daimler zugesagt, Geld einzuzahlen - ausländische Hersteller dagegen weigern sich.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) kündigte an, nicht an dem Dieseltreffen in Berlin teilzunehmen. Es zeichne sich ab, dass keine weitreichenden Entscheidungen zu erwarten seien, sagte Regierungssprecher Rudi Hoogvliet in Stuttgart. Das Land trete in Vorleistung und bringe einen eigenen Fonds für Luftreinhaltung auf den Weg. „Er soll schnell Mittel für Luftreinhaltemaßnahmen aller betroffenen Kommunen anbieten, solange und soweit die Mittel des Bundes nicht zur Verfügung stehen.“
Eine Sprecherin des Branchenverbands VDA bekräftigte hingegen die Beteiligung der Industrie am bundesweiten Fonds: „Sobald alle administrativen Voraussetzungen seitens der Bundesregierung geklärt sind, werden die Unternehmen das Geld bereitstellen.“
Der Verkehrsclub Deutschland forderte Merkel dazu auf, beim Treffen mit den Kommunen sofort wirkende Maßnahmen einzuleiten. „Die Zeit drängt. Das Versprechen, die Kommunen bei der Luftreinhaltung zu unterstützen, darf nicht in der Lethargie der Regierungsbildung versanden“, sagte VCD-Verkehrsexperte Michael Müller-Görnert. Er wies darauf hin, dass im Februar eine wegweisende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig zu Fahrverboten erwartet wird.
Aus Sicht der Deutschen Umwelthilfe können mit den Fonds-Projekten drohende Diesel-Fahrverbote vermieden werden. Geschäftsführer Jürgen Resch nannte eine Zahl von 20 bis 25 Städten, in denen die Grenzwerte bisher leicht überschritten würden. Diese könnten mit den eingeleiteten Maßnahmen und Nachrüstungen um Fahrverbote herumkommen. Dies wären etwa ein Drittel der Städte, denen Fahrverbote drohen. „Die anderen brauchen weitergehende Lösungen, da werden Nachrüstungen etwa von Bussen nicht reichen. Eventuell aber fallen Diesel-Fahrverbote weniger drastisch aus.“
Der Grünen-Haushaltsexperte Sven-Christian Kindler kritisierte, nun räche sich die „Verschleppungstaktik“ Merkels. „Die vollmundig versprochene Milliarde für ein angebliches "Sofort"-Programm" war reine Ankündigungspolitik ohne haushälterische Grundlage.“ Die fehlende Verankerung der versprochenen Mittel im Haushalt führe zu einem Stillstand. Merkel müsse die versprochene Milliarde schnell und verbindlich zur Verfügung stellen. FDP-Fraktionsvize Frank Sitta sagte, Pendler, Gewerbetreibende und Anwohner dürften nicht die Leidtragenden sein, wenn die Regierung den vor Monaten zugesagten Fonds zu einem „Bürokratiemonster“ aufblähe.