Kompromiss-Suche im Claassen-Prozess
Nürnberg (dpa) - Zwischen Solar Millenium und dem früheren Unternehmenschef Utz Claassen könnte es nach langem Streit doch noch zum Vergleich kommen. Eine Entschuldigung des Solar-Millennium- Aufsichtsratschefs Helmut Pflaumer hat möglicherweise den Weg für eine gütliche Einigung geebnet.
Claassen stimmte am Freitag nach einer entsprechende Erklärung Pflaumers in einem Zivilverfahren in Nürnberg erneuten Vergleichsverhandlungen mit dem Aufsichtsrat zu. Das Verfahren hatte unter großem Journalistenandrang begonnen.
Bei dem Streit geht es im Kern um die Frage, ob Claassen die 2010 bei seinem Antritt kassierten 9,2 Millionen Euro wegen seines vorzeitigen Ausscheidens aus dem Erlanger Unternehmen zurückzahlen muss. Claassen, der nach 74 Tagen sein Amt als Vorstandschef niedergelegt hatte, bestreitet dies und möchte zugleich die Rechtswirksamkeit seiner Kündigung feststellen lassen. Die Solar Millennium-Führung hat dagegen eine sogenannte Widerklage eingereicht, mit der sie zugleich eine Vorauszahlung von 93 500 Euro von Claassen zurückfordert. Solar Millennium baut Solarkraftwerke.
Möglichkeiten für eine außergerichtliche Einigung sollen nach einem Vorschlag des Landgerichts Nürnberg-Fürth nun bis Ende November geprüft werden. Die 2. Kammer für Handelssachen unter Vorsitz von Richter Werner Meyer hatte bei der Kompromisssuche seine Hilfe angeboten. „Wir fordern sie zu einem neuen Denkprozess auf“, appellierte der sichtlich um Einigung bemühte Kammervorsitzende an beide Prozessparteien. Andernfalls würde der Prozess im Frühjahr 2012 fortgesetzt. Fünf frühere Anläufe für außergerichtliche Vergleiche waren gescheitert.
„Ich bin mit dem Ablauf der Güteverhandlung außerordentlich zufrieden. Der Aufsichtsrat hat sich öffentlich entschuldigt. Das ist erstmals ein Schritt in die richtige Richtung“, sagte der frühere ENBW-Manager Claassen nach dem Prozess der Nachrichtenagentur dpa. Erfreut zeigte er sich auch, dass die Kammer einen zum Prozessbeginn gestellten Antrag des Solar Millennium-Aufsichtsrats auf Ausschluss der Öffentlichkeit abgelehnt habe. „Das werte ich als ein 3:0 für mich“, sagte Claassen der dpa.
Zu den Chancen erfolgreicher Vergleichsverhandlungen wollte sich Claassen nicht näher äußern. Voraussetzung sei jedenfalls, dass der Solar Millennium-Aufsichtsrat seine Kündigung als „begründet, wirksam und rechtmäßig“ akzeptiere.
Der 48 Jahre alte Manager hatte sich zunächst gegenüber dem vom Gericht empfohlenen Vergleich reserviert gezeigt. „Mit jedem Aufsichtsrat, den ich im Leben kennengelernt hatte, hätte ich mich in zehn Minuten einvernehmlich geeinigt“, sagte Claassen. In diesem Fall liege die Sache anders: „Man hat mich belogen, hintergangen, beleidigt und diskreditiert“, warf er dem Aufsichtsrat vor. Daher sei die Suche nach einem Vergleich nicht einfach. „Geld lässt sich teilen, Wahrheit und Rechtmäßigkeit nicht“, betonte er.
Daraufhin deutete SM-Aufsichtsratschef Pflaumer ein Einlenken an. Pflaumer erklärte: „Es würde mir leid tun, wenn Sie sich von uns beleidigt fühlen. Ich entschuldige mich auch gern dafür“, sagte er. Allerdings sei die Auseinandersetzung von beiden Seiten nicht sehr zimperlich geführt worden. Er wisse wohl, dass ein Vergleich angesichts der tiefen Gräben nicht einfach sein werde. „Aber lassen Sie es uns beide versuchen“, unterstrich Pflaumer.
Der Kammervorsitzende hatte zuvor beiden Seiten zu einem Vergleich geraten. Damit könnte endlich der Schwebezustand beendet werden, unter dem Verfahrensbeteiligte und anscheinend auch das Unternehmen Solar Millennium litten. Auch deutete Richter Meyer an, dass der Anspruch Claassens auf das mit Solar Millennium vereinbarte Antrittsgeld von 9,2 Millionen Euro und Schadenersatzzahlungen für den Fall seines vorzeitigen Rücktritts rechtlich umstritten seien. „Man muss fragen, ob ein Vertrag mit einer solchen Regelung - selbst wenn ihr damals beide Seiten zugestimmt haben - noch akzeptabel ist oder aus dem Rahmen fällt“, sagte der Kammervorsitzende. Hier stelle sich auch die Frage nach einer möglichen Sittenwidrigkeit.