Lebensmittelindustrie rechnet mit höheren Preisen
Berlin (dpa) - Auf die Verbraucher in Deutschland kommen abermals höhere Lebensmittelpreise zu. Landwirtschaft und Ernährungsindustrie kündigten am Mittwoch in Berlin Aufschläge von bis zu drei Prozent an.
Damit wollen sie höhere Kosten für Löhne, Energie und Rohstoffe ausgleichen.
Ob die Preise im Supermarkt ähnlich stark steigen, ist unklar. Im Lebensmittelmarkt herrscht ein scharfer Wettbewerb. „Die Zeiten, als Lebensmittel ein Inflationshemmer waren, sind möglicherweise vorbei“, sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied am Mittwoch im Vorfeld der Agrarmesse Grüne Woche in Berlin. Die Steigerungen blieben aber moderat. Es werde sich wenig daran ändern, dass der Durchschnittshaushalt elf Prozent seines verfügbaren Einkommens für Lebensmittel ausgebe.
Der Handel dämpfte die Erwartungen der Ernährungsbranche. Preise bildeten sich am Markt, betonte der Sprecher des Bundesverbands des Deutschen Lebensmittelhandels, Christian Böttcher. „Das entscheidet der Wettbewerb.“
Im vergangenen Jahr waren die Verbraucherpreise für Lebensmittel und alkoholfreie Getränke nach Angaben des Statistischen Bundesamts um gut drei Prozent gestiegen. Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) sagte den Dortmunder „Ruhr Nachrichten“ (Mittwoch): „Zwar sind die Lebensmittelpreise in Deutschland im vergangenen Jahr stärker gestiegen als die Inflationsrate, doch sind Lebensmittel bei uns immer noch deutlich preisgünstiger als in den meisten Nachbarländern.“
Auf der Grünen Woche in Berlin präsentieren sich von diesem Freitag an 1630 Aussteller aus der Landwirtschaft, der Ernährungsindustrie und dem Gartenbau. Bis zum 27. Januar werden rund 400 000 Besucher auf der weltgrößten Agrarmesse erwartet.
Deutschlands Landwirte gehen zuversichtlich in ihren Jahresauftakt in Berlin. „Die Agrarmärkte entwickeln sich stabil“, sagte Bauernpräsident Rukwied. Lebensmittel aus Deutschland seien in der EU und zunehmend darüber hinaus gefragt. Auch die Ernährungsindustrie wächst derzeit durch den Export: Der Branchenumsatz stieg im vergangenen Jahr um 4,1 Prozent auf 170 Milliarden Euro. Dabei kletterte der Exportanteil um 31 Prozent auf 53,4 Milliarden Euro.
Verbraucherschützer monierten derweil die vielen Lücken im Lebensmittelrecht, die Herstellern Spielraum für täuschende Verpackungen und die ungenaue Kennzeichnung von Zutaten ließen. Nach Angaben der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) gebe es derzeit mehr als 30 solcher Lücken für Mogeleien bei Produkten - etwa bei als Kalbswiener angepriesenen Würstchen mit nur 15 Prozent Kalbsfleisch.
Rukwied und der Vorsitzende der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, Jürgen Abraham, verteidigten ihre Branchen gegen Kritik, die wachsenden Exporte drängten Unternehmen etwa in Drittweltländern aus dem Markt. „Gute Nahrungsmittelpreise helfen den Bauern, egal wo auf der Welt sie wirtschaften“, sagte Rukwied. Abraham sagte, der globale Handel habe die Armut auf der Welt gesenkt, obwohl zeitgleich die Bevölkerung wachse.
Saatgutkonzerne und Supermarktketten verdrängten in Entwicklungs- und Schwellenländern häufig die Kleinhändler, sagte Jürgen Maier, Geschäftsführer des deutschen Forums Umwelt und Entwicklung. Die Vertragsbedingungen würden den Bauern teilweise diktiert. Die Risiken solcher Großinvestitionen dürfe man deshalb nicht einfach schönreden.
Eine sofortige „Ernährungswende“ hin zu ökologischer und nachhaltiger Produktion in Deutschland forderte unterdessen der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Anders sei weder der Klimawandel zu bremsen noch die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren.