BGH-Urteil Lebensversicherungen dürfen Kunden weniger Geld auszahlen
Berlin/Karlsruhe (dpa) - Licht und Schatten für Kunden von Lebensversicherungen: Verbraucher, deren Police jetzt in der Zinsflaute endet, müssen sich mit weniger Geld zufriedengeben - damit für die anderen Kunden genug übrig bleibt.
Das entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Eine entsprechende Neuregelung sei rechtens. Bei den Kosten dagegen können Kunden auf Entlastung hoffen. Das Bundesfinanzministerium will die Provisionen deckeln, die Versicherer ihren Vermittlern zahlen.
„Mit einem gesetzlichen Provisionsdeckel sollen mögliche Fehlanreize durch zu hohe Vergütung begrenzt werden“, heißt es in einem Papier des Bundesfinanzministeriums, das im Finanzausschuss des Bundestages diskutiert wurde.
Eine genaue Höhe wurde nicht genannt. Der Grünen-Finanzexperte Gerhard Schick kritisierte, eine Deckelung reiche nicht aus, notwendig sei ein Provisionsverbot.
Auch Lars Gatschke vom Verbraucherzentrale Bundesverband spricht sich für ein Verbot aus. Positiv ist aus seiner Sicht an dem Vorschlag „die Erkenntnis, dass man Hand an die Provisionen legen muss. Das kann die Kosten bei Kapitallebensversicherungen dämpfen, wenn die Versicherer die Einsparungen an die Kunden weitergeben“, argumentiert der Verbraucherschützer. „Fraglich ist allerdings, ob dadurch die Qualität der Beratung steigt.“
Ein Modell der Finanzaufsicht Bafin sieht Medienberichten zufolge vor, dass Versicherer höchstens 2,5 Prozent der Beiträge, die Kunden während der Laufzeit des Vertrages zahlen, als Provision ausgeben dürfen. Hinzu können weitere 1,5 Prozent kommen, wenn der Vermittler bestimmte Qualitätskriterien erfüllt - zum Beispiel Zufriedenheit der Kunden. Bei einer Lebensversicherung für 100 Euro Monatsbeitrag und mit einer Laufzeit von 30 Jahren würden in der Summe immer noch 1440 Euro an den Vermittler fließen, rechnet Gatschke vor.
An der Regelung zur Stabilisierung der Branche in der Zinsflaute will Berlin dagegen nicht rütteln. Auch nach der Entscheidung des BGH dürfen Versicherer in wirtschaftlich schwieriger Lage ausscheidende Kunden nicht mehr so üppig wie früher an ihren Kursgewinnen aus festverzinslichen Wertpapieren beteiligen. (Az. IV ZR 201/17)
„Das Finanzministerium stellt ausschließlich auf die Stabilität der Branche ab. Die Gerechtigkeitslücke zwischen Kunden, deren Vertrag aktuell endet und denjenigen, deren Policen weiterläuft, bleibt bestehen“, kritisiert Verbraucherschützer Gatschke.
Zugleich schlägt das Finanzministerium in seiner Bewertung des Lebensversicherungsreformgesetzes Entlastungen der Branche beim Aufbau eines zusätzlichen Kapitalpuffers vor. Dieser soll in kleineren Schritten erfolgen. Um die hohen Zinsgarantien für Altverträge abzusichern, müssen die Versicherer seit 2011 finanziell Vorsorge treffen. Ende 2017 lag das Volumen bei insgesamt knapp 60 Milliarden Euro. Allerdings soll die Auflösung der sogenannten Zinszusatzreserve zeitlich gestreckt werden - das Geld bleibt also länger beim Versicherer und wird den Kunden damit später gutgeschrieben.
In der Vergangenheit haben die Versicherer ihren Kunden auf lange Sicht gute Zinssätze garantiert. Nun haben sie Schwierigkeiten, diese Zusagen einzuhalten. Denn wenn sie das Geld ihrer Kunden jetzt am Kapitalmarkt anlegen, bringt das nicht mehr so hohe Gewinne wie früher. Das setzt die Branche unter Druck, zugleich sinkt die Verzinsung des Altersvorsorgeklassikers.
Der bislang vom Finanzministerium nach Empfehlungen der Finanzaufsicht Bafin und Versicherungsmathematikern festgelegte Garantiezins liegt für Neuverträge seit Anfang 2017 nur noch bei 0,9 Prozent. In der Vergangenheit waren es bis zu 4 Prozent. Die Vorgaben zum Garantiezins soll künftig die Finanzaufsicht machen.
Die Gesamtverzinsung setzt sich neben dem Garantiezins aus dem laufenden Zinsüberschuss, dem Schlussüberschuss und den Bewertungsreserven zusammen. Zur Stabilisierung der Branche war 2014 das Lebensversicherungsreformgesetz verabschiedet worden. In diesem Jahr stand eine Überprüfung an.