Lehner neuer Aufsichtsratschef von ThyssenKrupp

Essen (dpa) - Mit der Wahl des früheren Henkel-Chefs Ulrich Lehner zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates beginnt beim angeschlagenen ThyssenKrupp-Konzern eine neue Ära.

Lehner folgt offiziell zum 1. April dem langjährigen Chefaufseher Gerhard Cromme, der vor gut einer Woche überraschend seinen vollständigen Rückzug aus dem Unternehmen angekündigt hatte.

In einer Erklärung von nur zwei Sätzen teilte ThyssenKrupp mit, dass der 66-jährige auf einer Sondersitzung des Aufsichtsrates zum Nachfolger von Cromme ernannt worden sei. Der Manager, der auch das Kontrollgremium der Deutschen Telekom leitet, ist bereits seit fünf Jahren Mitglied des ThyssenKrupp-Aufsichtsrates.

Hintergrund für den Rückzug von Cromme waren unter anderem die wirtschaftliche Fehlentwicklungen, Kartellverstöße und zahlreiche Korruptionsaffären.

Im vergangenen Geschäftsjahr türmte sich bei den Essenern unter anderem durch milliardenschwere Abschreibungen auf die Stahlwerke in Brasilien und Nordamerika ein Fehlbetrag von fünf Milliarden Euro auf. Belastet wird das Unternehmen ferner durch Kartellverstöße im Schienenbereich und zuletzt bei Flachstahl. Cromme wurde mitverantwortlich gemacht für das Desaster bei ThyssenKrupp.

Lehner galt schon im Vorfeld als aussichtsreichster Kandidat für die Nachfolge auf den Posten des Chefaufsehers. Der 66-jährige Topmanager könne sofort die Arbeit aufnehmen, da er schon seit Jahren in dem Kontrollgremium tätig sei, hieß es.

Diesen Vorteil kehren Kritiker ins Gegenteil um: Nach Ansicht der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) gibt es mit Lehner keinen Neuanfang in dem Unternehmen, weil er seit Jahren Mitglied des Aufsichtsrates sei und die Fehlentwicklungen mit verantworten zu habe.

Unterdessen warten auf Lehner große Herausforderungen, die er gemeinsam mit Vorstandschef Heinrich Hiesinger in Zukunft angehen muss. Wie schnell das Unternehmen aus der Talsohle kommt, ist ungewiss. Wie das „Handelsblatt“ (Dienstag) berichtete, drohen neue Lasten aus Abschreibungen beim geplanten Verkauf der Stahlwerke in Brasilien und den USA.

Angeblich prüft das Unternehmen inzwischen eine Kapitalerhöhung in einem Volumen von einer Milliarde Euro, um die Eigenkapitalquote zu verbessern, schreibt die Zeitung. ThyssenKrupp wollte den Bericht nicht kommentieren.

Gegen einen solchen Schritt hatte sich bislang die Krupp-Stiftung gewandt, die mit 25,3 Prozent der Anteile größter Einzelaktionär des Unternehmens ist. Bei einer Kapitalerhöhung könnte die Stiftung vermutlich nicht mitziehen und ihr Anteil würde schrumpfen.

An der Börse kamen solche Spekulationen nicht gut an. Die ThyssenKrupp-Aktie war bis zum Mittag der größte Verlierer im Dax. Das Papier verlor mehr als sieben Prozent. Eine solche Kapitalmaßnahme sei nun sehr wahrscheinlich und erhöhe den Druck auf die Aktie, wurden Händler zitiert.