Löscher scheitert an eigenen Zielen
Unter dem scheidenden Chef Peter Löscher war Siemens eine Baustelle geblieben.
München. Peter Löscher ist seit sechs Jahren Siemens-Chef. Erst für seine Erfolge gefeiert, wird der Manager nun vom Hof gejagt. Damit liefert die Führung des vielleicht bekanntesten deutschen Konzerns ein Schauspiel mit Seltenheitswert. Selbst Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wünscht sich, dass der Konzern mit weltweit rund 370 000 Mitarbeitern wieder in ruhiges Fahrwasser kommt. Doch wird das dem neuen Chef schnell gelingen?
Am Ende war es wohl eine Gewinnwarnung zu viel. Das knappe Eingeständnis von Siemens am vergangenen Donnerstag, das wichtige Margenziel für 2014 nicht mehr zu erreichen, brachte das Fass zum überlaufen. Seit Monaten gärt es in dem Konzern. Leicht hat es Löscher nie gehabt. Er kam 2007 als Mann von außen, um den von der Schmiergeldaffäre erschütterten Konzern zu retten. Doch eine Hausmacht und gute Drähte fehlten ihm, sagen Kritiker. Zu oft verfehlte Löscher Ziele, die er sich selbst gesetzt hatte.
Bis 2014 wollte Löscher den Konzern auf eine Umsatzrendite von mindestens zwölf Prozent trimmen. Doch das ist aus heutiger Sicht nicht mehr zu erreichen. Mittelfristig sollte Siemens zudem einen Umsatz von 100 Milliarden Euro machen. Das Ziel hing Löscher besonders lange nach, denn von diesem Wert ist Siemens mit aktuell 78 Milliarden Euro weit entfernt. Dazu kommen Probleme in Deutschland: bei der Lieferung von ICE-Zügen, oder der Anbindung von Off-Shore-Windparks. Zudem habe Siemens den Anschluss an den US-Rivalen General Electric verloren.
Verglichen mit manch anderem Unternehmen hat Siemens allenfalls Luxusprobleme. Der Konzern ist kein Sanierungsfall und schreibt Milliardengewinne. Doch Siemens ist kompliziert: Vier Sektoren, die ganz unterschiedliche Geschäfte betreiben, müssen gesteuert werden. Zudem ist der Konzern eine Dauerbaustelle. Zu seinem Start 2007 hatte Löscher gesagt: „Ich reihe mich heute in die Reihe von 475 000 Siemensianern ein.“ Heute sind es gut 100 000 weniger. Geschäfte wurden verkauft, es gab Stellenabbau.
Sollte tatsächlich Finanzvorstand Joe Kaeser sein Nachfolger werden, dann wird er vor den gleichen Problemen stehen. Dazu kommt: Er hat wie der übrige Vorstand Löschers Ziele und Politik mitgetragen und mitentwickelt. Dennoch hat der ausgewiesene Finanzfachmann das Vertrauen der Märkte. Vor allem aber: Kaeser ist seit mehr als 30 Jahren im Unternehmen. Er wird respektiert, gemocht und von etlichen gefürchtet. Doch eine Baustelle dürfte Siemens auch unter einem Chef Joe Kaeser auf Jahre hinaus bleiben.