Lufthansa-Piloten wollen wieder streiken
Frankfurt/Main (dpa) - Zum Ende der Sommerferien drohen an den deutschen Flughäfen wegen Pilotenstreiks bei der Lufthansa erneut massenweise Flugausfälle. Die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) kündigte einen Ausstand an, mit dessen Beginn „ab sofort“ gerechnet werden müsse.
Unklar war aber auch am Sonntag noch, wann die Flugkapitäne das erste Mal ernst machen werden. Hintergrund der Streiks ist ein Streit über die Übergangsrente für die Piloten. Deshalb hatte es bereits im April massive Flugausfälle gegeben.
Nach den gescheiterten Verhandlungen über die Übergangsrenten legte sich die Piloten-Gewerkschaft mit ihrem Zeitplan zunächst nicht fest. „Wir werden mit Rücksicht auf die Passagiere aber frühzeitig einen Termin bekanntgeben“, sagte VC-Sprecher Jörg Handwerg am Sonntag der Nachrichtenagentur dpa. Was „frühzeitig“ genau heißt, sagte er nicht. Während die Piloten den Druck auf die Lufthansa erhöhen, ruft Europas größte Airline die VC zurück an den Verhandlungstisch.
Cockpit hatte die Verhandlungen am späten Freitagabend für gescheitert erklärt und den Ausstand angekündigt. Die drohenden neuen Ausstände könnten nach VC-Angaben kurzfristiger bekanntgegeben werden als bei der massiven Streikwelle im April. „Damals haben wir den Streik 72 Stunden vorab angekündigt“, sagte Cockpit-Vorstandsmitglied Markus Wahl am Samstag der dpa. „Jetzt ist es auch denkbar, dass wir diese Vorlauffrist ein wenig kürzer halten.“ Es werde aber kein Passagier erst am Flughafen erfahren, dass sein Flug ausfalle.
Im Tarifkonflikt geht es um höhere Gehälter und die Übergangsrenten für die 5400 Piloten bei Lufthansa, Germanwings und Lufthansa Cargo. Im Schnitt gehen die Lufthansa-Kapitäne derzeit mit knapp 59 Jahren in den vom Unternehmen bezahlten Vorruhestand. Lufthansa will das Eintrittsalter wegen der hohen Kosten und der auf 65 Jahre hochgesetzten Altersgrenze für Verkehrspiloten merklich erhöhen. VC verlangt zudem Verdienststeigerungen um zehn Prozent. Das Angebot der Lufthansa beträgt nach eigener Darstellung 5,16 Prozent.
Im April hatte der schärfste Streik in der Lufthansa-Geschichte zu rund 3800 Flugausfällen geführt, betroffen waren an den drei Tagen 425 000 Fluggäste. Nach den Streiks hatten beide Seiten die Verhandlungen wieder aufgenommen - hinter verschlossenen Türen und mit Hilfe eines Moderators. Doch die Lufthansa habe ihre „weitreichenden Forderungen“ aufrechterhalten, die nicht akzeptable Einschnitte in die Versorgung der Piloten bedeuten würden, erklärte Cockpit nun.
„Wir bedauern die Entscheidung der Vereinigung Cockpit sehr, die Verhandlungen für gescheitert zu erklären und Arbeitskampfmaßnahmen anzukündigen“, kritisierte die Lufthansa. „Diese Entscheidung ist in keiner Art und Weise nachvollziehbar.“ Die Airline wolle die Gespräche fortsetzen, allerdings müsse die Gewerkschaft mit konkreten Vorschlägen an den Verhandlungstisch zurückkehren. „Wir wissen nicht genau, was die Gewerkschaft für Vorstellungen hat. Das gilt vor allem für die Übergangsversorgung“, sagte Lufthansa-Kommunikationschefin Barbara Schädler am Samstag. „Cockpit hat sich bislang nicht konkret dazu geäußert.“
Die Aussagen der Lufthansa seien mehr als verwunderlich und ein Ablenkungsmanöver für die Öffentlichkeit, sagte Cockpit-Sprecher Handwerg. Schließlich liefen die Gespräche seit Monaten. „Lufthansa weiß, was wir wollen.“ Ein konkretes Angebot habe die Fluggesellschaft aber nicht vorgelegt.
Nach Angaben Schädlers will die Lufthansa im Notfall einen Teil ihres üblichen Angebots erneut mit freiwilligen Piloten und Managern mit Pilotenschein stemmen. Der Konzern hatte den wirtschaftlichen Schaden durch den Streik im April auf einen hohen zweistelligen Millionenbetrag beziffert.
Die Streik-Ankündigung trifft die Lufthansa in einer schwierigen Zeit. Die größte deutsche Fluggesellschaft steht angesichts einer harten Konkurrenz und eines nahezu weltweiten Preiskampfes unter Kostendruck. Lufthansa-Chef Carsten Spohr, erst seit Mai im Amt, hatte im Juli ein ausgeweitetes Billigkonzept angekündigt. Damit soll Europas größter Luftverkehrskonzern wieder höhere Gewinne machen. Daneben soll die Qualität der Muttermarke sowie die Marktstellung der erfolgreichen Tochtergesellschaften etwa für Catering, IT und Flugzeugtechnik gestärkt werden.
Ein Streik der Piloten-Gewerkschaft Cockpit wäre nach Ansicht des Luftfahrt-Experten Heinrich Großbongardt nur der Auftakt einer Reihe von Tarifkonflikten und Arbeitskämpfen. „Es geht derzeit bei der Lufthansa um grundlegende und tiefgreifende Veränderungen in der Struktur, um wettbewerbsfähig zu bleiben“, sagte Großbongardt der dpa. „Deshalb wird Cockpit nur den Anfang machen, von den anderen Gewerkschaften wird auch etwas kommen.“