Merkel: Schuldenkrise kann Aufschwung gefährden

Berlin (dpa) - Kanzlerin Merkel hat eindringlich für neue Milliarden-Hilfen für Griechenland geworben. Die Schuldenkrise im Euro-Raum drohe den Aufschwung zu gefährden - eine zweiter Fall Lehman müsse unbedingt verhindert werden.

„Wir dürfen nichts tun, was den Aufschwung weltweit insgesamt in Gefahr bringt und dann auch in Deutschland wieder in Gefahr bringen würde“, sagte die Kanzlerin in ihrem am Samstag veröffentlichten Video-Podcast im Internet. „Wenn wir nicht richtig handeln, kann das passieren, aber das wollen wir ja genau verhindern.“

Der Bankrott der US-Investmentbank Lehman Brothers habe in Deutschland 2009 zu einem Wirtschaftseinbruch von fast fünf Prozent geführt, sagte Merkel. Über 60 Prozent des deutschen Exports gingen in den europäischen Bereich. Wenn es allen Europäern gut gehe, gehe es auch der deutschen Exportwirtschaft gut. Wegen der Vorteile des Euro sei es „richtig und gut, dass wir uns auch für den Euro als eine starke Währung einsetzen.“ Deutschland ist derzeit die Konjunktur-Lokomotive in Europa.

Auch FDP-Generalsekretär Christian Lindner sagte, eine ungeordnete Staatsinsolvenz Griechenlands würde Aufschwung und Beschäftigung in Deutschland massiv gefährden. „Übrigens auch die Ersparnisse der Bürger. Wir dürfen einen zweiten Fall Lehman Brothers nicht zulassen“, sagte Lindner der „Frankfurter Rundschau“ (Samstag).

Griechenland steht vor der Staatspleite, wenn keine Lösung für das hoch verschuldete Land gefunden wird. Athen hatte bereits vor gut einem Jahr ein Paket von Europäern und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) von 110 Milliarden Euro erhalten. Die nächste Tranche von 12 Milliarden Euro ist im Juli fällig - Athen braucht sie dringend, freigegeben ist sie noch nicht.

Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte am Freitag im Bundestag gesagt, um die Juli-Tranche auszahlen zu können, seien weitere Hilfen und ein Anpassungsprogramm nötig. Den Umfang eines neuen Rettungspakets bezifferte Schäuble nicht. Zuletzt war die Rede von einem Finanzbedarf von 90 bis 120 Milliarden Euro - je nach Dauer und Einbindung der Gläubiger und möglicher Privatisierungserlöse. Spekuliert wird über ein Kreditpaket von etwa 60 Milliarden Euro.

Die Finanzminister der Eurozone wollen sich an diesem Dienstag (14.6.) in Brüssel treffen, wie in Kreisen der Eurogruppe bekanntwurde. Diplomaten rechnen damit, dass das neue Rettungspaket für Griechenland besprochen werden soll.

Die Bundesregierung hatte am Freitag breite Rückendeckung der schwarz-gelben Koalition für ihren umstrittenen Griechenland-Kurs mit weiteren Milliarden-Hilfen erhalten. Union und FDP knüpften ihre Zustimmung aber an Bedingungen. So müssten private Geldgeber an einem zweiten Hilfspaket beteiligt werden.

Schäuble hatte eindringlich um Unterstützung für eine „weiche“ Umschuldung geworben. Er hofft auf einen Kompromiss mit der Europäischen Zentralbank (EZB) und den Euro-Partnern im Streit um eine Beteiligung privater Geldgeber.

Berlin schlägt vor, dass Banken alte griechische Staatsanleihen gegen neue mit längerer Laufzeit von sieben Jahren umtauschen. Aus Sicht der EZB müssten sich Anleihebesitzer aber komplett freiwillig zu einem solchen Schritt entschieden. Wenn aber Rating-Agenturen wegen Zweifeln an einer freiwilligen Beteiligung privater Gläubiger an einer Laufzeitverlängerung eine Zahlungsunfähigkeit feststellen, würde die EZB griechische Anleihen nicht mehr als Sicherheiten akzeptieren. Dies würde die Probleme erheblich verschärfen.

Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken, Michael Kemmer, signalisierte der Regierung Gesprächsbereitschaft für eine Beteiligung privater Gläubiger an einem Hilfspaket. Die Vorschläge Schäubles seien vernünftig, müssten aber noch konkretisiert werden, sagte Kemmer am Samstag im Deutschlandfunk. Voraussetzung sei, dass die Einbeziehung privater Gläubiger freiwillig bleibe.

Commerzbank-Chef Martin Blessing dagegen warnte vor einer Beteiligung privater Gläubiger. „Wenn man um Griechenland einen Zaun ziehen könnte, wäre das Problem recht leicht zu lösen: Man würde umschulden. Die Banken außerhalb Griechenlands könnten das verkraften“, sagte Blessing der „Welt am Sonntag“. In diesem Fall gehe es jedoch um mehr: „Wir haben es auch mit einer Vertrauensfrage zu tun.“ Zuletzt habe es geheißen, bis 2013 werde kein Gläubiger zur Sanierung Griechenlands herangezogen.

Unterdessen forderte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) von der griechischen Bevölkerung mehr Opfer zur Überwindung der Finanzkrise. „Griechenland hat schon Einiges auf den Weg gebracht. Aber es reicht noch nicht“, sagte Kauder der „Passauer Neuen Presse“ (Samstag). Ein neues Sparpaket Athens sieht Einsparungen von mehr als sechs Milliarden Euro allein bis Ende 2011 vor.