Merkel und Konzerne wollen stärkeren Netzausbau
Berlin (dpa) - Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist sich mit den Chefs der Energiekonzerne einig, dass der deutsche wie europäische Netzausbau beschleunigt werden muss. Das sagte Regierungssprecher Steffen Seibert nach einem Spitzentreffen am Mittwochabend im Kanzleramt.
Es habe Einigkeit geherrscht, dass die von EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) vorgelegten Vorschläge „im Wesentlichen eine gute Grundlage für eine ehrgeizige, nachhaltige Energiepolitik sind“. Oettinger sieht unter anderem in fehlenden Netzen und einem bisher zu geringen grenzüberschreitenden Netzausbau ein Hauptproblem bei der Integration von immer mehr Ökostrom in der Europäischen Union (EU).
Im Fokus des Treffens mit den Vorstandsvorsitzenden der führenden Energie- und Industrieunternehmen stand der Energie-Gipfel am 4. Februar in Brüssel, wo Oettingers Energiestrategie bis 2020 ein Thema ist. Merkel hatte auch mehrere Netzbetreiber eingeladen.
Allein in Deutschland fehlen laut einer Studie der Deutschen Energieagentur (dena) in den nächsten Jahren bis zu 3600 Kilometer an neuen Höchstspannungsleitungen, wodurch es - bei immer mehr Ökostrom - zu Netzproblemen kommen könnte. Für den Energieinfrastrukturausbau in der EU sieht die Kommission einen Investitionsbedarf von 200 Milliarden Euro bis 2020.
Laut Seibert handelte es sich bei dem Treffen lediglich um einen Gedankenaustausch. Die SPD und die Grünen fürchten jedoch, dass über eine EU-weite Harmonisierung das deutsche Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ausgehebelt werden könnte. Denn EU-Energiekommissar Oettinger strebt neben einer Energiestrategie demnächst auch die Anpassung der nationalen Fördersysteme für den Ökoenergieausbau an.
Dadurch müssten die im EEG vereinbarten Gelder auf einen EU- einheitlichen Satz zurückgefahren werden. Auch Förderobergrenzen wären möglich - in Deutschland können bisher unbegrenzt Windräder oder neue Solaranlagen zugebaut werden. Den Konzernen ist eine Förderharmonisierung ein wichtiges Anliegen.
Eingeladen waren unter anderem die Vorstandschefs der vier Stromerzeuger Eon, RWE, EnBW und Vattenfall, Johannes Teyssen, Jürgen Großmann, Peter Villis und Tuomo Hatakka. Auch die Chefs von BASF, Siemens und Bosch - Jürgen Hambrecht, Peter Löscher und Franz Fehrenbach sowie der Bundesverband der Deutschen Industrie hatten von Merkel eine Einladung bekommen. Zudem bat sie Netzbetreiber hinzu. Spitzenvertreter der Erneuerbaren-Branche waren nicht dabei.
Oettinger will, dass künftig Solarstrom dort produziert wird, wo die meiste Sonne scheint. Aber für einen stärkeren Stromtransport zwischen den EU-Staaten fehlen tausende Kilometer an Stromleitungen.
Mit Blick auf das Treffen forderte der Chef des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE), Dietmar Schütz, Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) zum Handeln auf. „Ich möchte Sie im Namen der Erneuerbare-Energien-Branche dringend darum bitten, sich persönlich (...) gegen eine EU-Harmonisierung der nationalen Fördersysteme auszusprechen und aktiv dagegen vorzugehen“, schrieb Schütz an Röttgen. Sonst seien viele Arbeitsplätze und Unternehmen gefährdet.