„Mini-Madoff“ vor Gericht
Würzburg (dpa) - In einem der größten Fälle von Anlagebetrug in Deutschland wird seit Mittwoch einem mutmaßlichen Millionenbetrüger vor dem Landgericht Würzburg der Prozess gemacht. Fast 5000 Privatanleger und internationale Großbanken soll der als „Mini-Madoff“ bekanntgewordene Psychologe Helmut Kiener ausgetrickst, getäuscht und betrogen haben.
Die Kunden investierten seit den 90er Jahren ihr Geld in die sogenannten K1 Fonds des 51-Jährigen. Er kaufte sich den Ermittlern zufolge davon Flugzeuge und Villen. „Der insgesamt durch den Angeklagten Kiener verursachte Schaden beträgt rund 345 Millionen Euro“, sagt Oberstaatsanwalt Martin Gallhoff. Ein mutmaßlicher Komplize des Familienvaters aus dem fränkischen Aschaffenburg soll einen Schaden von rund 156 Millionen Euro mitverursacht haben.
Mehr als drei Stunden trägt die Staatsanwaltschaft die Vorwürfe vor. Sie spricht von gefälschten Depot- und Kontoauszügen, überzogen dargestellten Gewinnen der Hedge-Fonds, unwahren Angaben über die Anlagestrategie der riskanten Finanzprodukte und Täuschungen. Der Hauptangeklagte - in einem brombeerfarbenen Anzug und mit Cowboystiefeln - hört mit verschränkten Armen zu, hochkonzentriert.
Seit Oktober 2009 sitzt der Manager in Untersuchungshaft. Er sieht mitgenommen aus, hat stark abgenommen. Zu den Dutzenden Journalisten sagt er nur: „Es wäre eine Vorverurteilung, von Betrug zu sprechen, das sollte man nicht tun.“ Mehr will er erstmal nicht sagen, verweist auf seine Anwälte. Die versprechen, ihr Mandant wolle den Schaden wiedergutmachen. „Der Wunsch und Wille dazu liegt vor, soweit es im Rahmen des Möglichen liegt“, betont Verteidiger Achim Groepper.
Auf rund 630 Seiten haben die Ermittler ihre Erkenntnisse zusammengetragen. Kiener wird Betrug in 35 Fällen, Urkundenfälschung in 86 Fällen sowie Steuerhinterziehung in 5 Fällen zur Last gelegt. Der zweite Angeklagte steht wegen Beihilfe zum Betrug vor Gericht.
Mit einem gigantischen Schneeballsystem und einem undurchsichtigen Firmengeflecht soll Kiener die britische Barclays Capital Bank und die französische BNP Paribas an der Nase herumgeführt haben. Wie seinen Privatanlegern versprach der 51-Jährige den international tätigen Geldhäusern laut Anklage übertrieben hohe Renditen.
Das Vorgehen erinnert an den New Yorker Ex-Broker Bernard Madoff. Er hatte das größte bekannte Schneeballsystem der Geschichte aufgezogen (46 Milliarden Euro) und verbüßt derzeit eine Haftstrafe von 150 Jahren. Bei einem Schneeballsystem ist die Auszahlung des angeblichen Gewinns nur durch das Geld neuer Kunden möglich.
Die in der Karibik registrierten K1 Fonds schrieben Millionenverluste. Ein bis zwei Drittel des bilanzierten Anlagevermögens waren laut Staatsanwältin Katja Weisensel-Kuhn „Luftnummern“. „Die angeblichen Gewinne waren schon deshalb völlig überzogen dargestellt, sie waren zu einem guten Teil das Resultat der vorbeschriebenen Manipulationen.“
Die Banken ließen sich von dem charismatischen Kiener blenden, genau wie die Privatanleger, die 122,2 Millionen Euro in die Fonds investierten. Die Barclays Capital Bank soll rund 171 Millionen Euro in den Sand gesetzt haben, die BNP Paribas fast 52 Millionen Euro. „Derzeit befinden sich die beiden K1 Fonds in der Liquidation“, erklärt Oberstaatsanwalt Gallhoff. „Nachdem auch sonst nur geringe Vermögenswerte vorhanden sind, haben die Anleger ihre gesamte Geldanlage verloren.“
Kiener lebte den Ermittlern zufolge seit Jahren auf großem Fuß, steckte Millionen in die eigene Tasche. Der zweifache Vater soll sich zwei Flugzeuge und einen Helikopter gekauft haben, „damit er soweit wie möglich mobil sein konnte. Gleichzeitig waren sie Statussymbole eines angeblich erfolgreichen Hedge-Fonds-Managers“, sagt Staatsanwalt Rainer Volkert. Eine Millionenvilla im US-Bundesstaat Florida, Boote und ein wertvolles Rennrad sollen dem gebürtigen Oberpfälzer ebenso gehört haben.
Zum Prozessauftakt wollte sich der mutmaßliche Betrüger nicht weiter zu den Vorwürfen äußern. Der andere Angeklagte will am nächsten Verhandlungstag (23. März) aussagen. Sollte auch Kiener dann auspacken, könnte ein Mammutverfahren verhindert werden.