Neue Überlandleitungen in der Kritik

Berlin (dpa) - Ein möglicher Neubau von bis zu 3600 Kilometern überirdischer Stromleitungen stößt bei den Umweltverbänden auf massive Kritik.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH), der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und die Umweltstiftung WWF erteilten entsprechenden Vorschlägen der Deutschen Energieagentur (dena) eine klare Absage. Wer binnen zehn Jahren 3600 Kilometer neue Überlandleitungen durch Deutschland treiben wolle, werde am Widerstand der betroffenen Anwohner und des Naturschutzes scheitern, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Rainer Baake am Dienstag in Berlin.

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) warnte hingegen: „Die Netze dürfen nicht zum Nadelöhr werden.“ Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) machte sich allerdings für innovative Technologien stark, um den Bedarf zu verringern. Ein Ausbau sei nur möglich, „wenn die Bevölkerung mitzieht“.

Die dena hatte zuvor eine Studie präsentiert. Danach müssen die deutschen Stromnetze bis zum Jahr 2020 deutlich ausgebaut werden, um den Zuwachs von erneuerbaren Energien zu bewältigen. Als preiswerteste Variante wird darin der Neubau von 3600 Kilometern Höchstspannungsleitungen aufgeführt. Inklusive des Anschlusses von Hochsee-Windparks rechnen die Forscher mit Kosten von 9,7 Milliarden Euro. Bei einer Umrüstung der bestehenden Freileitungen sei zwar nur der Neubau von 1700 Kilometern notwendig, die Gesamtkosten beliefen sich jedoch auf 17 Milliarden Euro.

Für den von verschiedenen Bürgerinitiativen geforderten Bau von unterirdischen Erdkabeln veranschlagt das jetzt veröffentlichte Papier 22 bis 29 Milliarden Euro. Im vor einer Woche bekanntgewordenen Entwurf der Netzstudie waren die Kosten hierfür noch mit etwa 55 Milliarden Euro beziffert worden. Kritiker hatten der dena daraufhin vorgeworfen, sie habe die Kosten viel zu hoch angesetzt. dena-Chef Stephan Kohler wies die Kritik am Dienstag zurück. Je nach Technik und Bodenbeschaffenheit seien Erdkabel drei- bis fünfmal so teuer wie Überlandleitungen. Zudem seien unterirdische Stromleitungen störanfälliger, und Reparaturen dauerten länger. Vor diesem Hintergrund sprach sich Brüderle gegen Erdkabel aus. „Diese Mehrkosten tragen letztlich die Stromverbraucher.“

Dass der wachsende Anteil erneuerbarer Energien einen Ausbau der Stromnetze erfordert, ist weitgehend unstrittig. Das liegt unter anderem daran, dass die großen Windparks - die für einen Großteil des Ökostroms sorgen - vor allem im Norden und Osten der Republik angesiedelt sind, der größte Energiebedarf aber im Süden und Westen des Landes besteht.

Greenpeace und der WWF bemängelten allerdings, dass unterirdischen Leitungen aus Kostengründe eine pauschale Absage erteilt werde. Der BUND bezweifelte zudem, dass das von der dena genannte Ausmaß an neuen Stromtrassen tatsächlich notwendig ist. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) warnte hingegen vor Engpässen im Stromnetz und forderte drastisch verkürzte Genehmigungsverfahren für den Bau neuer Leitungen.

Der Zeitpunkt eines Ausbaus ist aber ohnehin offen. Vor fünf Jahren hatte die dena in einer ersten Studie bis 2015 einen Leitungsbedarf von 850 Kilometern ermittelt. Davon sind bislang noch nicht einmal 100 Kilometer fertiggestellt.