Niederländer Terium wird neuer RWE-Chef
Essen (dpa) - RWE will den Atomausstieg in Deutschland mit einem behutsamen Führungswechsel, milliardenschweren Verkäufen und einen strikten Sparkurs bewältigen. Neuer Chef des zweitgrößten deutschen Energiekonzerns wird Mitte nächsten Jahres Peter Terium, teilte RWE am Montag in Essen mit.
Der 47-jährige Niederländer rückt bereits im kommenden Monat als Stellvertreter an die Seite von Vorstandschef Jürgen Großmann. RWE will mit dem Verkauf eigener Aktien und einer Kapitalerhöhung 2,5 Milliarden Euro einnehmen. Der finanzielle Spielraum soll außerdem mit dem Verkauf weiterer Konzernteile erweitert werden.
RWE reagierte am Montag auf den Atomausstieg mit einer Gewinnwarnung für das laufende Jahr. Der Energieriese erwartet 2011 einen noch größeren Gewinnrückgang als im Februar vorhergesagt. Der um Einmaleffekte und Sondereinflüsse bereinigte Konzerngewinn werde gegenüber 2010 um etwa 35 Prozent statt 30 Prozent zurückgehen. Als Gründe wurden von RWE die „unvorhergesehenen Belastungen aus der deutschen Energiewende“ genannt. Infolge des Atom-Moratoriums sind die RWE-Kernkraftwerke Biblis A und B bereits abgeschaltet.
„Die Einschnitte beim Ergebnis entstehen ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, an dem das größte Investitionsprogramm der Unternehmensgeschichte auf der Zielgeraden ist“, erklärte Großmann. RWE müsse jetzt handeln, um die Kapitalbasis zu stärken und gleichzeitig Investitionsspielräume für künftiges Wachstum zu sichern. RWE will nun noch mehr Beteiligungen oder Randgeschäfte verkaufen und damit nun insgesamt 11 statt bisher 8 Milliarden Euro bis Ende 2013 einnehmen.
Geprüft wird im Detail der teilweise oder komplette Verkauf des tschechischen Ferngas-Netzbetreibers NET4GAS, der Beteiligung an Berlinwasser, ausgewählter deutscher Aktivitäten im Vertriebs- und Netzgeschäft sowie von RWE Dea. RWE erwägt außerdem auch, einige Kohle- und Gaskraftwerke zu verkaufen. Darüber hinaus fasst RWE Partnerschaften ins Auge, um die Investitionsausgaben reduzieren zu können. Das Sparprogramm wird um 100 Millionen Euro aufgestockt. Details zu den Sparbemühungen wurden aber noch nicht genannt.
Für 2013 hob RWE die Prognose für den bereinigten Konzerngewinn allerdings von etwa 2 auf 2,5 Milliarden Euro an. Beobachter erwarten höhere Strompreise wegen des verknappten Angebotes. RWE zog die Bekanntgabe der Halbjahreszahlen um zwei Tage auf diesen Dienstag vor.
Der RWE-Aufsichtsrat hatte heftig um die Nachfolge von Großmann gerungen. Wie die „Rheinische Post“ und „Die Welt“ berichteten, sollen Aufsichtsratschef Manfred Schneider und Aufsichtsratsmitglied Paul Achleitner (Allianz-Vorstand) mit Rücktritt gedroht haben, um Terium durchzubekommen. Als Wunschkandidat der kommunalen Aktionäre, die etwa ein Fünftel der RWE-Anteile halten und im Aufsichtsrat vier Plätze besetzen, galt RWE-Vorstand Rolf Martin Schmitz. Dieser wird Stellvertreter von Terium mit dem Stabwechsel Mitte 2012.
Terium hat internationale Erfahrung und kennt auch RWE, wo er 2003 als Leiter des Konzern-Controllings begann. Seit 2009 steht Terium an der Spitze der niederländischen RWE-Tochter Essent. Bei der Integration dieses Unternehmens in den Essener Konzern übte sich der gelernte Steuerfachmann im Umgang mit Kommunen, denn Essent gehörte zuvor niederländischen Provinzen und Gemeinden. Der 59-jährige Großmann, der sich besonders deutlich für eine Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke stark gemacht hatte, räumt den Chefposten etwas früher als geplant. Sein Vertrag lief bis September 2012.
Aktionärsschützer begrüßten die Personalentscheidung. „Wir sind glücklich, dass es keine Doppelspitze gibt. Das wäre nur eine Notlösung“, sagte der Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Marc Tüngler. „Wichtig ist, dass es einen gibt, der vorangeht.“