Diesel-Affäre weitet sich aus Opposition fordert härteres Durchgreifen gegen Autokonzerne

Berlin (dpa) - Angesichts der Ausweitung des Diesel-Skandals mit Hunderttausenden Rückrufen bei Daimler verlangt die Opposition ein härteres Durchgreifen der Bundesregierung.

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Es müsse „jetzt Schluss sein mit Showveranstaltungen und halbherzigen Rückrufaktionen“ sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter in Berlin. „Alle Manipulationen gehören schonungslos auf den Tisch.“ Die FDP forderte von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) mehr Transparenz bei Rückrufen. Der Auto Club Europa mahnte, die Hersteller nun insgesamt zu Abgas-Verbesserungen und Kunden-Entschädigungen zu verpflichten.

FDP-Verkehrsexperte Oliver Luksic sagte der Deutschen Presse-Agentur, Scheuer solle dem Verkehrsausschuss zu Rückrufen Rede und Antwort stehen: „Hinterzimmer-Absprachen müssen endgültig der Vergangenheit angehören.“ Der Minister hatte am Montag nach einem Gespräch mit Daimler-Chef Dieter Zetsche einen amtlichen Rückruf von europaweit 774 000 Mercedes-Diesel wegen unzulässiger Abgastechnik angekündigt, davon 238 000 in Deutschland. Daimler will den Rückruf umsetzen, kündigte aber zugleich Widerspruch an. Es ist der größte Rückruf nach dem Fall Volkswagen mit knapp 2,5 Millionen Wagen in Deutschland.

Die Linke forderte die Bundesregierung auf, die gesetzliche Grundlage von Sanktionen zu nutzen. „Die Autoindustrie braucht jetzt eine klare Ansage“, sagte Verkehrsexpertin Ingrid Remmers der dpa. „Solange den Konzernen keine echten Konsequenzen für ihre Manipulationen drohen, wird das kriminelle Fehlverhalten weitergehen.“ Daraus zu erzielende Einnahmen von 14 Milliarden Euro sollten zur Luftreinhaltung in Städten verwendet werden, um drohende Diesel-Fahrverbote abzuwenden. Auch Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer kritisierte, dass der Verkehrsminister weiter keine Bußgelder verhängt habe.

Daimler hatte schon Ärger wegen eines Typs des Kleintransporters Vito, in dem das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) eine illegale Abschalteinrichtung der Abgasreinigung festgestellt hatte. Jetzt hat sich der Verdacht auf häufig verkaufte Mercedes-Modelle ausgedehnt. Betroffen sind laut Ministerium der sportliche Geländewagen GLC 220d und ein Modell der C-Klasse (C 220d). Bis auf wenige Ausnahmen sind die Autos nach Konzernangaben in drei Millionen Diesel enthalten, für die Daimler schon ein freiwilliges Software-Update angekündigt hatte. Im Fall Audi leitete die Staatsanwaltschaft nun auch ein Verfahren wegen Betrugsverdachts gegen Unternehmenschef Rupert Stadler ein.

Der Vorsitzende des Auto Clubs Europa (ACE), Stefan Heimlich, sagte: „Die Verzögerungstaktik der Hersteller ist unangebracht und wird von der Politik toleriert.“ Mit einem Abgasskandal, der sich über Jahre ziehe, sei aber keinem geholfen. Er forderte: „Schluss mit Deals und Entgegenkommen!“ Den Herstellern müsse endlich eine verbindliche Frist gesetzt werden, bis wann die Fahrzeuge sauber sein müssten. Zudem seien technische Nachrüstungen bei älteren Dieseln anzuordnen. Solche Umbauten an Motoren fordert seit Monaten auch die SPD, Scheuer und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) argumentieren dagegen.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) betonte indes die Bedeutung der Autoindustrie für Deutschland. Die Bundesrepublik habe ein Interesse daran, dass die Branche ihre Krise überwinde und Fehler behoben würden, sagte Altmaier am Dienstag beim Wirtschaftstag des CDU-nahen Wirtschaftsrats. Die deutsche Autoindustrie mit allen Fehlern, die Manager gemacht hätten, sei der Kern der industriellen Wertschöpfung hierzulande. Dies sei keine „Lobbypolitik“, sondern Politik im nationalen Interesse des Landes, sagte Altmaier. Es sei eine zentrale Frage, dass Deutschland künftig die besten Elektroautos baue und führend beim autonomen Fahren sei.

Der Ministerpräsident des Daimler-Stammlands Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann (Grüne), appellierte an die Autobranche, mit Abgas-Tricksereien zulasten der Kunden aufzuhören. „Ich kann die Automobilindustrie nur eindringlich auffordern, mit diesen Praktiken radikal zu brechen. Verbraucher haben den Anspruch drauf, dass das, was auf dem Papier steht, auch in der Praxis funktioniert.“