Peter Hartz nimmt sich der jungen Arbeitslosen in Europa an
Der Ex-Regierungsberater, bekannt geworden durch die Agenda 2010, will nun den europäischen Arbeitsmarkt retten.
Berlin. Viele Menschen dürften ihn wohl immer noch hassen: Peter Hartz. Der Namenspatron der ebenso umstrittenen wie erfolgreichen Arbeitsmarktreform unter dem früheren SPD-Kanzler Gerhard Schröder ist in Deutschland zum Synonym für Sozialabbau und angebliche Massenverelendung geworden. Am Dienstag meldete sich der mittlerweile 75jährige Saarländer auf der Berliner Bühne zurück, um wieder ein Konzept vorzustellen — diesmal gegen Langzeit- und Jugendarbeitslosigkeit. Dabei ist Hartz Deutschland nicht mehr genug. Nun er peilt sogar die Rettung des europäischen Arbeitsmarktes an.
Viele in Berlin erinnern sich noch gut an die groß angelegte PR-Show im Sommer 2002. Vor 500 geladenen Gästen erläuterte Hartz damals seine Vorstellungen einer heilen Arbeitswelt. Nicht irgendwo, sondern im Französischen Dom am Gendarmenmarkt. Auf großen Bildschirmen wurden Graphiken und Zahlenkolonnen präsentiert. Davor saßen feierlich aufgereiht die Mitglieder der nach ihm benannten Experten-Kommission. In knallgelben Schubern wurde der 348 Seiten starke Reform-Bericht mit dem scheinbar unverfänglichen Titel "Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ schließlich unter den Anwesenden verteilt — samt CD.
Gemessen an diesem bombastischen Szenario wirkte der Auftritt des früheren VW-Personalvorstands am Dienstag vor der Bundespressekonferenz geradezu bescheiden. Es gab weder gedruckte Papiere, noch sekundierende Experten. An großem Pathos dagegen herrschte erneut kein Mangel. Genauso wie damals, als Hartz verkündete, „die Zukunft für zwei Millionen Arbeitslose konzipiert“ zu haben. Jetzt geht es dem Visionär vor allem um die rund vier Millionen jungen Arbeitslosen in der EU, bei denen man „sofort handeln“ müsse. Und der „Antrieb“, so Hartz, sei der gleiche wie vor 15 Jahren, nämlich „Artikel 1des Grundgesetzes, nach dem die Würde des Menschen unantastbar ist“.
Schon die Hartz-Pläne von 2002 lebten in einer ganz eigenen Begriffswelt. Es gab „Innovationsmodule“, die „Ich-AG“ und „Personal-Service-Agenturen“ sowie „Quick-Vermittlung“ oder „Job-Floater“. Das allermeiste davon ist längst vergessen. Auch das neue Konzept birgt zahlreiche verbale Neuschöpfungen. Es geht um „Minipreneure“, „Talentdiagnostik“, „A-Trainer“ und um „Zeitwertpapiere“. Letzteres übrigens sind Wertpapiere, mit denen Jugendliche als „Kunde“ auf Lehrstellensuche gehen sollen. Ein „Beschäftigungsradar“ soll potenzielle Jobs aufspüren, derweil Langzeitarbeitslose auch mit Hilfe ehemaliger Erwerbsloser wieder für den Arbeitsmarkt fit gemacht werden.
Im Saarland laufen zu den Vorschlägen schon seit einigen Jahren Modellversuche. Der Rest der Republik nimmt davon jedoch keine Notiz. Vielleicht auch deshalb, weil sich die positive Wirkung offenbar in Grenzen hält. „Bisher haben wir keine Mitstreiter gefunden“, räumte Hartz auf Nachfrage ein. Dabei haben die Ideen nach seiner festen Überzeugung weit mehr als nur deutschlandweites Potenzial.
Auch dem scheidenden französischen Staatspräsidenten Hollande seien die Vorschläge vorgestellt worden, berichtete Hartz. Wenn sein Nachfolger Macron sie aufgreife, könne daraus ein „deutsch-französisches Projekt“ werden, das auch für andere EU-Länder beispielhaft wirke. „Da könnten wir morgen beginnen“, geriet der Saarländer fast ins Schwärmen.
Dass er von der Bundesregierung in Sachen Arbeitsmarktpolitik erneut zu Rate gezogen werden könnte, hielt Hartz auf Nachfrage allerdings für unwahrscheinlich. Und mit etwas Bescheidenheit fügte er hinzu: „In meinem Alter brauchen sie keine Karriere mehr zu machen“.