Prokon-Gläubiger stärken Insolvenzverwalter
Hamburg (dpa) - Das zahlungsunfähige Windenergieunternehmen Prokon kann auf Sanierungskurs gehen: Die Gläubigerversammlung stimmte am Dienstag in Hamburg dem vorläufigen Konzept des Insolvenzverwalters Dietmar Penzlin zu.
Der Hamburger Rechtsanwalt wurde in seinem Amt bestätigt und erhielt den Auftrag, seinen Sanierungsplan auszuarbeiten. „Es ist ein guter Tag für das Unternehmen, ein guter Tag für die Gläubiger und ein guter Tag für die Belegschaft“, sagte Penzlin. Er hoffe, sich im nächsten halben Jahr „hoffentlich in Ruhe der Sanierungsarbeit zuwenden zu können“.
Zu der nicht öffentlichen Gläubigerversammlung - es war eine der größten in der deutschen Wirtschaftsgeschichte - seien 2350 stimmberechtigte Gläubiger aus ganz Deutschland gekommen, sagte eine Sprecherin des zuständigen Amtsgerichts Itzehoe (Schleswig-Holstein). Teilnehmer sprachen von mehr als 5000 Anwesenden.
Die Gerichtssprecherin sagte, in Hamburg seien 29 600 Gläubiger vertreten worden. Das stimmberechtigte Kapital habe knapp 705 Millionen Euro betragen. Die „Freunde von Prokon“, mit 427 Millionen Euro Kapital die stärkste Gruppe, zeigten sich hoch erfreut, dass Penzlin nun seine Vorstellungen weiter umsetzen könne.
Prokon hat rund 75 000 Gläubiger. Sie hatten rund 1,4 Milliarden Euro über Genussrechte in der heute überschuldeten Firma angelegt. Sie dürften einen Großteil ihres Kapitals verlieren. Anfang 2015 wird dann endgültig über den Insolvenzplan abgestimmt.
Mit dem Beschluss der Gläubigerversammlung setzte sich der Insolvenzverwalter gegen Ex-Prokon-Chef Carsten Rodbertus durch, der für seine 20-minütige Rede auf der Versammlung aber Beifall erhielt. Rodbertus hatte andere Sanierungsvorstellungen und wollte Prokon als Ganzes erhalten. Dagegen hält Penzlin den Verkauf von Firmenteilen (Ölmühle, Holzindustrie) für notwendig, um damit Forderungen abzulösen. Das Kerngeschäft mit Windkraftanlagen will Penzlin fortsetzen und 300 von ursprünglich 450 Arbeitsplätzen erhalten.
Zum Auftakt der Gläubigerversammlung wurde rund 15 000 Genussrechte-Inhabern der Windenergie-Firma ihr Stimmrecht versagt. Der Beschluss der Rechtspflegerin, die die Veranstaltung leitete, sorgte für Aufregung. Die Rechtspflegerin hielt Rodbertus laut Teilnehmern vor, die Vollmachten über einen Vertrauten eingesammelt zu haben. Für den Ex-Chef habe sich dadurch ein nicht zulässiger Interessenkonflikt als Geschäftsführungsorgan und Vertreter von Genussrechten ergeben.
Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) und andere Anlegervertreter wie die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) hatten beim Amtsgericht Itzehoe Anträge gestellt, dass die umstrittenen Stimmrechte annulliert würden.
Anwälte des Rodbertus-Vertrauten bezeichneten die Entscheidung als „rechts- und verfassungswidrig“, die Versammlung sei eine Farce und hätte abgebrochen werden müssen. Drei Befangenheitsanträge gegen die Rechtspflegerin verwarf die anwesende Richterin des Amtsgerichts. Rodbertus sagte, „die Rechtsbeugung seitens des Gerichts“ habe er so nicht erwartet.
Dagegen bezeichnete Penzlin die Stimmrechts-Annullierung als „mutige, couragierte Entscheidung“: „Das zeigt, dass man nicht um jeden Preis Vollmachten erwerben kann.“ Im übrigen hätten die Annullierungen auf die Abstimmungsergebnisse ohnhin keine Auswirkungen gehabt.
Nun seien die Träume des ehemaligen Prokon-Geschäftsführers beendet, wieder die Macht zu übernehmen, meinte DSW-Vizepräsident Klaus Nieding. Die DSW habe ihre Ziele vollständig erreicht, „weil Prokon mit diesem Ergebnis wieder eine echte Chance hat“.
Der Insolvenzverwalter hatte Rodbertus als Chef der Prokon Regenerative Energien GmbH Ende April fristlos entlassen. Er hielt ihm Pflichtwidrigkeiten und mangelnde Geschäftsführung vor. Anerkannte Jahresabschlüsse für 2012 und 2013 konnten noch nicht vorgelegt werden. Die Staatsanwaltschaft Lübeck ermittelt gegen Rodbertus unter anderem wegen Insolvenzverschleppung.
In finanzielle Schieflage kam das Unternehmen, als etliche Gläubiger ihre Genussrechte kündigten und ihr Geld zurück haben wollten. Insgesamt lag die Summe der gekündigten Genussrechte bei rund 400 Millionen Euro, das Unternehmen konnte dieses Geld nicht aufbringen.