Ökostrom Prokon: Ringen um die Anleger
Gläubiger haben die Wahl: Anteile an EnBW verkaufen oder als Genossenschaft auf Windkraft setzen.
Düsseldorf. In einem der größten Insolvenzverfahren der deutschen Wirtschaftsgeschichte steht das Finale unmittelbar bevor. Am 2. Juli werden sich in den Hamburger Messehallen die Gläubiger von Prokon treffen, um über die Zukunft des insolventen Windenergie-Unternehmens zu entscheiden.
Zwei Modelle stehen zur Abstimmung: das Kaufangebot des Energiekonzerns EnBW (Karlsruhe) in Höhe von 550 Millionen Euro und ein Genossenschaftsmodell, das die Fortführung der Firma durch die Geldgeber vorsieht. Wer die besseren Karten hat, ist völlig offen.
Prokon lockte die Anleger jahrelang mit einer traumhaften Verzinsung. Der Großbetreiber von Windkraftanlagen versprach allen, die am Geschäft mit dem Öko-Strom verdienen wollten, acht Prozent Rendite. Wer dabei sein wollte, musste Genussrechte erwerben. Rund 75 000 Bürger ließen sich überzeugen. 1,4 Milliarden Euro kamen zusammen.
Bereits 2010 warnten Verbraucherschützer vor einem „Schnellballsystem“ bei der Firma aus Itzehoe. Die in Aussicht gestellte Rendite sei nicht zu erwirtschaften, den Inhabern der Genussrechte drohe im schlimmsten Fall der Totalverlust. Im Januar 2014 räumte Prokon schließlich ein, pleite zu sein.
Dennoch verfügt das Unternehmen über beträchtliche Werte. In Deutschland und Polen gibt es 54 Prokon-Windparks mit 318 Windkraftwerken und insgesamt 537 Megawatt Leistung. Weitere Parks sind in Planung.
Aus Sicht von EnBW ist dieser Bestand überaus reizvoll. Deutschlands drittgrößter Energiekonzern, einst Verfechter der Kernkraft, könnte auf dem nun geplanten Weg Richtung Öko-Strom einen großen Sprung nach vorne machen.
EnBW will für Prokon etwa 550 Millionen Euro in bar hinlegen. Der Konzern bewertet das Unternehmen damit um rund 100 Millionen Euro niedriger als das konkurrierende Genossenschaftsmodell. Trotzdem ist Konzernchef Frank Mastiaux sicher, sich durchsetzen zu können. Sein entscheidendes Argument: Die Anleger erhalten sofort Geld und können die Sache abhaken, während der andere Weg mit einem unternehmerischen Risiko verbunden ist.
Um die Anleger zu überzeugen, wirbt das Unternehmen in Zeitungsanzeigen und Radiospots. Auf seiner Internetseite rechnet der Konzern vor, was die Gläubiger zu erwarten haben: Wer eine Forderung von 10 000 Euro hat, bekommt 5220 Euro ausbezahlt.
„Lassen Sie sich nicht von EnBW abspeisen!“, heißt es dagegen in einem Schreiben, das der Vorstand des Vereins „Freunde von Prokon“ an die Mitglieder geschickt hat. Mehr als 10 500 von den 75 000 Anlegern haben sich in dem Club mit Sitz in Castrop-Rauxel zusammengefunden, um das ökologische Projekt in Eigenregie fortzusetzen.
„Bei unserem Modell werden die Gläubiger finanziell besser gestellt“, sagt Vorsitzender Wolfgang Siegel. „Pro 10 000 Euro Einlage bleibt ein Wert von 5890 Euro erhalten“, so Siegel. Darüber hinaus sei bei dem Genossenschaftsmodell voraussichtlich ab 2017 mit der Ausschüttung einer Dividende zu rechnen.
Ob das die Gläubiger von Prokon überzeugt, wird sich spätestens am 2. Juli zeigen. Schon bis zum 26. Juni müssen genügend Anleger gegenüber dem Insolvenzverwalter rechtsverbindlich erklären, dass sie ihre Genussrechte in die Genossenschaft einbringen. Es kommt in Hamburg nur dann zur Abstimmung, wenn Genussrechte im Nennwert von 660 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Bei einer unverbindlichen Probeabstimmung des Insolvenzverwalters wurde diese Hürde locker genommen.