Wirtschaft Richterspruch gegen Fotoklau im Internet
Europäischer Gerichtshof stärkt Rechte von Kreativen. Auch wenn ein Foto frei im Internet zugänglich ist, darf es nicht ohne Erlaubnis an anderer Stelle neu hochgeladen werden.
Düsseldorf. Wann darf man einen anderen Menschen fotografieren, wann verstößt es gegen die Datenschutzgrundverordnung, dieses Foto zu veröffentlichen? Diese Fragen sorgten in den vergangenen Monaten für viel Diskussionsstoff. So hatte beispielsweise ein Kindergarten in Dormagen aus Verunsicherung über die Rechtslage die Erinnerungsfotos mit den Bildern der Kinder geschwärzt. In diesen und anderen Fällen geht es um das Recht am eigenen Bild und um Datenschutz. Ein anderer Aspekt, der dem Veröffentlichen von Fotos Grenzen setzt, ist das Urheberrecht. Eben diese Grenzen hat der Europäische Gerichtshof (Az. C-161/17) neu gezogen. Mit einem Richterspruch, der jeden interessieren muss, der bisher allzu leichtfertig Fotos aus dem Internet verwendet.
Dass eine nicht böswillig handelnde Schülerin, deren Referat mit einem aus dem Netz heruntergeladenen Foto online gestellt wurde, Auslöser des Prozesses war, bekräftigt umso mehr: Jeder, der ohne zu fragen von der Arbeit anderer profitieren will, wird in die Schranken verwiesen. Andererseits stärkt die Luxemburger Entscheidung alle Kreativen in ihrem Recht, die Früchte ihrer Arbeit selbst zu ernten.
Der Fall: An einer Schule in der Ruhrgebietsstadt Waltrop hatte eine Schülerin ein Referat über die spanische Stadt Cordoba verfasst. Dies war offenbar so gut gelungen, dass es auf der Homepage der Schule hochgeladen wurde. Zur Bebilderung des Referats hatte die Schülerin ein Foto der Stadt von der Seite eines Online-Reisemagazins ausgewählt und dieses Bild dann mit ihrem Referat auf der Internetseite ihrer Schule hochgeladen.
Davon wiederum bekam der Urheber des Bildes Wind. Der Berufsfotograf klagte vor Gericht: Das Foto müsse von der Homepage der Schule verschwinden, außerdem wolle er 400 Euro Schadensersatz wegen der unberechtigten Verwendung haben. Sein Argument: Er lebe nun mal vom Fotografieren, ihm entstünden jährlich 20 000 bis 30 000 Euro allein an Reisekosten. Nur er selbst habe zu entscheiden, wo er seine Fotos zu welchen Konditionen veröffentliche.
Der Fall ging durch die Instanzen, bis schließlich der Bundesgerichtshof die Sache dem Europäischen Gerichtshof vorlegte mit der Frage: Ist es überhaupt eine erneute und damit vom Fotografen zu gestattende Veröffentlichung, wenn das Foto doch vorher schon für jedermann im Internet abrufbar war? Was macht es da aus, wenn das bisher schon frei zugängliche Bild nun auch noch auf der Homepage der Waltroper Schule abrufbar ist?
Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes, dessen rechtlicher Beurteilung die Richter oftmals folgen, hatte in seinem Vorschlag für das Urteil noch gegen eine Rechtsverletzung des Fotografen votiert. Er plädierte dafür, dem Land Nordrhein-Westfalen Recht zu geben, das den Prozess für die Waltroper Schule als Beklagter führte. Der spanische Generalanwalt Manuel Campos Sanchez-Bordona stieg dabei mit einem griffigen Argument in sein Gutachten ein, als er schrieb: „Vor nicht allzu langer Zeit wurden in der Schule auf Karton gefertigte Themenarbeiten gewöhnlich mit Fotografien aus Büchern und Zeitschriften illustriert. Nach ihrer Fertigstellung wurden sie in den Lehranstalten (zum Entzücken der Eltern) ausgestellt, und die Urheber dieser Bilder verlangten üblicherweise keine Entschädigung für ihre Nutzung.“ Es folgen lange rechtliche Ausführungen und dann das Fazit des Gutachters: „Das Einstellen einer Schularbeit, die eine allen Internetnutzern frei und kostenlos zugängliche Fotografie enthält, ohne Gewinnerzielungsabsicht und unter Angabe der Quelle auf der Internetseite einer Schule, stellt kein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne des Artikels 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG dar, wenn dieses Bild bereits ohne Hinweis auf Nutzungsbeschränkungen auf dem Internetportal eines Reisemagazins veröffentlicht war.“
Der Generalanwalt hatte eigentlich guten Grund zu glauben, dass die Richter seine Einschätzung teilen würden. Schließlich hatten sie schon früher in scheinbar vergleichbaren Fällen gegen die Urheber entschieden. So gehört es zum ganz normalen Funktionieren des Internets, dass auf andere Seiten verlinkt wird. Auch hat der Europäische Gerichtshof das sogenannte Framing für zulässig erklärt, ohne dass sich ein Urheber dagegen mit Verweis auf seine eigenen Rechte wehren kann. Beim Framing (vom englischen frame = Rahmen) werden fremde Inhalte in die eigene Homepage oder auch Facebook-Chronik eingebettet. Jeder Nutzer der Seite kann dann das auf der Seite eingebettete Bild oder Video ansehen. Letztlich klickt er aber nur auf einen Link, der ihn auf die Seite führt, auf der das Foto oder Video zunächst hochgeladen wurde.
Doch gerade die Tatsache, dass das Foto oder Video auf diese Weise nur eingebettet und verlinkt ist, zeigt den Unterschied zu dem Fall, dass jemand ein Foto quasi aus dem Internet „klaut“ und dann auf seiner eigenen Seite hochlädt: Bei Letzterem entsteht eine neue Kopie, die auch dann noch im Netz zu finden sein wird, wenn das Foto längst von der Originalseite gelöscht wurde. Und eben deshalb, so argumentiert der Europäische Gerichtshof, wird das Recht des Urhebers verletzt.
Bei einer Verlinkung oder Einbettung eines Fotos oder Videos behält er dagegen jederzeit die Kontrolle über sein Werk. Löscht er es, so geht ab diesem Zeitpunkt auch ein Link auf einer Seite ins Leere, die auf die Originalseite verweist. Wird hingegen eine neue Kopie erstellt und eigens auf einer neuen Seite hochgeladen, verliert der Urheber diese Kontrolle. Eben diese aber muss ihm als Rechte-Inhaber zugesprochen werden. Er selbst entscheidet, was mit seinem Foto geschehen darf.
Die Lehre aus dem Richterspruch: Vor dem Hochladen eines fremden Werkes sollte die Rechtefrage und auch die Frage einer Vergütung von jedem Internetnutzer geklärt werden — nicht nur von Schülern, die Referate bebildern wollen.