Russland will Boykott auf EU-Gemüse aufheben

Brüssel/Moskau/Berlin (dpa) - Trotz der EHEC-Krise können Europas Bauern wohl bald wieder ihr Gemüse nach Russland liefern. Die EU und Russland haben nach Angaben der EU-Kommission in Moskau ein Abkommen unterzeichnet, wonach der Importstopp unter Bedingungen aufgehoben wird.

Das sagte ein Sprecher der Brüsseler Behörde am Mittwoch. Wegen des gefährlichen Darmkeims hatte das größte Land der Erde Anfang Juni ein Einfuhrverbot für Gemüse aus der gesamten Europäischen Union verhängt. Brüssel hatte diese Maßnahme von Anfang an als „überzogen“ kritisiert. EU-Gemüseexporte nach Russland haben laut Kommission einen Umfang von rund 1,1 Millionen Tonnen pro Jahr.

Russlands oberster Amtsarzt Gennadi Onischtschenko warnte vor überzogenen Erwartungen. „Gerüchte“ über eine sofortige Aufhebung seien völlig übertrieben. Ein Verbotsende sei bis Ende Juni möglich, sagte er nach Angaben der Agentur Interfax. Russland warte auf eine Liste der Labors, in denen die EU-Produkte geprüft würden. Nach Ansicht von Beobachtern nutzte Moskau den Boykott auch für politische Machtspiele, um der EU die Bedeutung des russischen Marktes vor Augen zu führen und Verbrauchern einheimische Waren ans Herz zu legen.

Die deutschen Gemüseerzeuger zeigten sich erleichtert. Der Geschäftsführer des Deutschen Fruchthandelsverbands, Andreas Brügger, nannte die Aufhebung „längst überfällig“. Auch der Deutsche Bauernverband äußerte sich zufrieden.

Die EHEC-Infektionswelle ebbt nach Angaben der Bundesregierung weiter ab. Man könne wohl sagen, „dass der Scheitelpunkt der Erkrankungszahlen überschritten ist“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Seit zehn Tagen würden deutlich weniger neue Erkrankungen an EHEC und der schweren Ausprägung HUS gemeldet, wie das Gesundheits- und Verbraucherministerium in der Kabinettssitzung berichtet hätten. Die Lage sei aber weiter genau zu beobachten.

Das neue Abkommen zwischen Moskau und der EU sieht laut EU-Kommission vor, dass alle Gemüselieferungen nach Russland vorübergehend Zertifikate mit sich führen müssen, die bescheinigen, dass die importierte Ware nicht den gefährlichen EHEC-Keim trägt. Außerdem muss auch die Herkunft der Produkte darauf stehen. Zehn Tage nach der letzten EHEC-Erkrankung solle diese Vorschrift automatisch wegfallen, sagte der EU-Sprecher.

„Nach dem heutigen Abkommen erwarte ich eine rasche Wiederaufnahme der EU-Exporte nach Russland“, sagte EU-Gesundheitskommissar John Dalli. Beim EU-Russland-Gipfel vor rund zwei Wochen hatten sich beide Seiten darauf geeinigt, die Gemüse-Einfuhr unter Sicherheitsgarantien wieder zu erlauben.

Ungeachtet der grundsätzlichen Einigung beim Gemüse schränkt Russland vom kommenden Montag an wegen EHEC die Einfuhr von deutschen Fleisch- und Milchprodukten ein. Zunächst dürfen zehn Milchbetriebe, drei Fleischerzeuger sowie ein Geflügelproduzent nicht mehr nach Russland exportieren. Bei Inspektionen seien verschiedene E.coli-Bakterien auf unterschiedlichen Produkten entdeckt worden, teilte die staatliche Veterinäraufsicht in Moskau mit.

Der deutsche Milchindustrieverband reagierte mit Unverständnis. Die Einfuhreinschränkung habe nichts mit der EHEC-Krise zu tun, sagte Verbandssprecher Björn Börgermann in Berlin. Russische Verbraucher selbst beklagen immer wieder mangelnde hygienische Zustände auf Märkten sowie etwa auch deutlich überschrittene Verbrauchsdaten bei Lebensmitteln.

Unterdessen darf der Frankfurter Gemüsehof, der nach einem EHEC-Fund in Salat und Waschwasser gesperrt worden war, wieder Lebensmittel verkaufen. Der Betrieb verstärke unter anderem seine Kontrollen, um künftig eine Belastung mit dem Darmkeim auszuschließen, teilte das hessische Verbraucherschutzministerium mit.

Das Umweltbundesamt hatte zuvor vor Panikmache gewarnt. „Dass nun in einem Fluss mit Abwassereinfluss ein EHEC vom Ausbruchsstamm nachgewiesen werden konnte, ist nicht überraschend“, hatte der Präsident des Amtes, Jochen Flasbarth, mitgeteilt. „Abwasser enthält immer auch Krankheitserreger, vor allem von solchen Krankheiten, die in der Bevölkerung gerade grassieren.“