Schlimmes Jahr für Europas Automarkt
Brüssel/Berlin (dpa) - Die Schuldenkrise hat den Autoabsatz in Europa 2012 auf den niedrigsten Stand seit 17 Jahren einbrechen lassen. Die Zahl der neu zugelassenen Fahrzeuge in der Europäischen Union ging um 8,2 Prozent auf rund 12,05 Millionen zurück - und damit auf den tiefsten Stand seit 1995.
Besserung ist nicht in Sicht, wie der europäische Branchenverband Acea am Mittwoch in Brüssel mitteilte. Im Gegenteil erwarten Experten, dass die Talfahrt in diesem Jahr weitergeht. Auch auf der US-Automesse in Detroit Anfang der Woche hatten Top-Manager große Sorge bekundet, dass es für das europäische Autojahr 2013 noch schlimmer kommen könnte.
Zum Jahresende 2012 hatte sich die Lage noch einmal verschärft: Der Dezember markierte mit einem Minus von 16,3 Prozent nicht nur den mit Abstand schlechtesten Monat im vergangenen Jahr. Seit 2008 hatte es außerdem in keinem Dezember so einen deutlichen Rückgang der Zulassungszahlen gegeben.
Peter Fuß, Partner bei der Beratungsgesellschaft Ernst & Young, sieht 2012 gar als schlechtestes Jahr für Autoverkäufe in der EU seit zwei Jahrzehnten. Denn die Krise auf dem westeuropäischen Markt sei noch schlimmer als die Zahlen suggerierten: Denn in vielen Absatzmärkten seien die Verkäufe durch Eigenzulassungen künstlich aufgebläht worden. Hinzukämen noch hohe Rabatte, die zum Kauf animieren sollen, aber letztlich auf Kosten der Margen gingen. Fuß prophezeit: „2013 wird zu einem Entscheidungsjahr für die europäische Autobranche.“ Die betroffenen Unternehmen müssten schnell Überkapazitäten abbauen. Das schließe komplette Werksschließungen mit ein.
Besonders schlimm erwischte es den Acea-Zahlen zufolge im gesamten vergangenen Jahr die Automärkte in Südeuropa: Im drittgrößten europäischen Automarkt Italien brachen die Neuzulassungen 2012 um fast 20 Prozent auf 1,4 Millionen Fahrzeuge ein. In Spanien lag das Minus bei 13,4 Prozent, in Portugal bei fast 38 Prozent. Den prozentual größten Rückgang verzeichnete 2012 Griechenland mit 40 Prozent.
Dagegen war der deutsche Markt, der mit Abstand größte in Europa, mit einem Rückgang von knapp 3 Prozent auf rund 3,08 Millionen Neuzulassungen noch vergleichsweise stabil.
Der zweitgrößte EU-Automarkt Frankreich jedoch musste 2012 ein Minus von fast 14 Prozent auf rund 1,9 Millionen Fahrzeuge verkraften. Dies trifft vor allem die heimischen Massenhersteller hart. Denn PSA Peugeot Citroën und Renault sind von der Entwicklung in Frankreich und Westeuropa abhängig, weil sie im Gegensatz zu anderen Autobauern wie VW auf den boomenden Märkten in Übersee nur schwach vertreten sind.
Die französischen Autobauer haben daher teure Überkapazitäten, die sie nun abbauen müssen. Die Folge ist ein drastischer Stellenabbau. Am Dienstag hatte Renault bekanntgegeben, wegen der Absatzkrise 7500 Stellen in Frankreich zu streichen. PSA hatte bereits im Sommer 2012 angekündigt, in Europa rund 8000 Stellen zu streichen und ein Werk in Frankreich zu schließen. Auch Ford macht Fabriken dicht. Der angeschlagene deutsche Autobauer Opel will in seinem Werk Bochum die Autoproduktion 2016 beenden.
Opel gehört auch zu den größten Jahres-Verlierern unter den Herstellern. Die Zahl der Neuzulassungen in der EU von Opel/Vauxhall ging im Gesamtjahr um fast 16 Prozent zurück. Einen Einbruch erlebten auch PSA mit einem Rückgang von 13 Prozent, Renault mit fast 19 Prozent und der ebenfalls angeschlagene italienische Autobauer Fiat mit 16 Prozent.
Großer Gewinner war dagegen Europas Branchenprimus Volkswagen. Beim VW-Konzern betrug das Jahresminus in der EU nur 1,6 Prozent - VW konnte seinen Marktanteil daher von 23 Prozent auf 24,7 Prozent ausbauen. Weltweit glich der Konzern das Minus in Westeuropa durch ein starkes Wachstum vor allem in China und den USA mehr als aus.
Zweite Gewinner waren die südkoreanischen Autobauer Hyundai und Kia, die deutlich dazugewannen - Hyundai legte um 9,4 Prozent, Kia um 14,1 Prozent zu. Die deutschen Oberklasse-Hersteller Daimler und BMW kamen glimpflich davon - Daimler verbuchte in der EU konzernweit ein Minus von 3 Prozent, BMW von knapp 2 Prozent. Beide sind aber in Übersee stark.