Schwarz-Gelb sorgt sich um Kosten der Energiewende

Berlin (dpa) - In der schwarz-gelben Koalition wächst die Sorge, dass die Kosten der Energiewende aus dem Ruder laufen.

„Es wird teurer für den Bürger“, sagte FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle der „Welt“. „Wir brauchen über 4000 Kilometer neue Stromleitungen, wir brauchen Gaskraftwerke. Schon jetzt merken die Leute, dass die Stromrechnung nach oben geht.“

Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) war zu Pfingsten bemüht, Spekulationen im Keim zu ersticken, angesichts der Probleme könne die Regierung den Fahrplan zum Atomausstieg bis 2022 infrage stellen. „Die Kernenergie in Deutschland ist Geschichte“, sagte er der „Welt am Sonntag“. Altmaier betonte, der Ausstieg sei beschlossen. „Ich kenne keine ernstzunehmende Kraft in Deutschland, die ihn revidieren will. Es wird kein Zurück geben.“ Die Akzeptanz für die Kernenergie sei in Deutschland nach Fukushima nicht mehr vorhanden. „Deutschland kann als erste Volkswirtschaft in Europa die Energiewende schaffen.“

Zusammen mit Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) besucht Altmaier an diesem Dienstag die Bundesnetzagentur in Bonn, um sich über Probleme beim schleppenden Netzausbau zu informieren. In ihrer wöchentlichen Videobotschaft räumte Merkel an Pfingsten ein, dass es gerade beim Bau der großen Überlandleitungen Probleme gebe. „Hier sind wir an vielen Projekten im Rückstand.“ Da dränge die Zeit, betonte die Kanzlerin.

Nach Schätzungen der Deutschen Energie-Agentur sind 4000 bis 4500 Kilometer an Stromautobahnen notwendig, um Windstrom aus dem Norden in den Süden zu bekommen. Hinzu kommen tausende Kilometer auf der Verteilebene. Durch den Neubau an Leitungen drohen auch höhere Netzentgelte, die den Strompreis zusätzlich treiben könnten.

Brüderle sprach in der „Welt am Sonntag“ von einem ehrgeizigen Ziel, den Ökostromanteil bis zur Abschaltung der letzten Atommeiler im Jahr 2022 auf rund 40 Prozent zu steigern. „Wir werden eine ganze Reihe von Gas- und Kohlekraftwerken bauen müssen, möglicherweise mehr, als wir zunächst dachten.“

Bisher gibt es zu wenig Anreize für den Bau von Gaskraftwerken als Ersatz für die AKW. Es ist unklar, ob sie bei immer mehr Solar- und Windenergie genug Betriebsstunden bekommen, um sich zu rechnen. Brüderles Sprecherin betonte, die Aussagen seien nicht als Zweifel am Atomausstieg zu verstehen.

Der FDP-Fraktionschef sagte mit Blick auf die Solarförderung, es könne nicht so weitergehen, dass „auf Teufel komm raus“ die Solarenergie gefördert werde. „Wir geben gut sieben Milliarden aus für knapp drei Prozent der Stromerzeugung.“ Die Förderkosten zahlen die Verbraucher automatisch über ihre Stromrechnung mit.

Zu Pfingsten zeigten sich aber auch die positiven Effekte. Das sommerliche Wetter bescherte Deutschland zeitweise einen Rekord bei der Sonnenstromproduktion. „Wir gehen von 22 000 Megawatt aus. Das entspricht der Leistung von mehr als 20 Atomkraftwerken“, sagte der Direktor des Internationalen Wirtschaftsforums Regenerative Energien (IWR) in Münster, Norbert Allnoch der Deutschen Presse-Agentur.

Kürzungsvorschläge der Regierung bei der Solarförderung um bis zu 30 Prozent hatten die Länder mit Rücksicht auf bei ihnen beheimatete Solarfirmen abgelehnt. Nun muss im Vermittlungsausschuss von Bund und Ländern eine Lösung gefunden werden. Altmaier will eine rasche Einigung, zugleich aber auch der kriselnden deutschen Solarindustrie unter die Arme greifen, damit sie sich global behaupten kann.

Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) forderte wegen des drohenden Strompreisanstiegs eine Senkung der Stromsteuer. In der „Bild am Sonntag“ plädierte er für ein flexibles Modell. Demnach würde die Stromsteuer gesenkt, wenn die Ökoenergie-Umlage steigt.

Der Energieexperte Holger Krawinkel von der Verbraucherzentrale Bundesverband sagte der Deutschen Presse-Agentur, notfalls müsse man auch über ein komplettes Aus für die Steuer nachdenken, um Mehrkosten durch Ökoenergie-Förderung und Netzentgelte aufzufangen. Es sei Aufgabe der Kanzlerin, dass notfalls im Staatshaushalt mehrere Milliarden umgeschichtet werden, um die Energiewende zu stemmen.