Arbeitsmarkt Schwarzarbeit geht laut Prognose 2017 weiter zurück
Tübingen/Linz (dpa) - In Deutschland nehmen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung nach Berechnung von Wissenschaftlern weiter ab.
„Bessere Beschäftigungsmöglichkeiten in der offiziellen Wirtschaft führen dazu, dass weniger Personen ihre Arbeitskraft in der Schattenwirtschaft anbieten“, heißt es in einer Analyse des Tübinger Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) und der Universität Linz.
Das Verhältnis von Schattenwirtschaft zur Wirtschaftsleistung dürfte der Studie zufolge 2017 im achten Jahr in Folge sinken. Der Anteil am Bruttoinlandsprodukt werde mit 10,4 Prozent (2016: 10,8 Prozent) demnach so niedrig sein wie noch nie seit dem Beginn der Studienstatistik 1995.
In der Schattenwirtschaft werden in diesem Jahr laut der Schätzung Leistungen im Wert von 330 Milliarden Euro erbracht, 6 Milliarden Euro weniger als 2016. Unter Schattenwirtschaft versteht man Schwarzarbeit - also zumeist Bezahlungen in bar ohne Rechnung und an der Steuer vorbei -, aber auch andere Formen der illegalen Beschäftigung.
Deutschland liegt im internationalen Vergleich im Mittelfeld. Dass es hierzulande im Vergleich zu den USA oder der Schweiz offenbar attraktiver ist, schwarz zu arbeiten, erklärt Co-Autor Bernhard Boockmann vom IAW mit der hohen Regelungsdichte des Arbeitsmarktes wie Mindestlohn und Kündigungsschutz. „Je stärker der Arbeitsmarkt reguliert ist, desto stärker ist die Versuchung für Arbeitgeber, in die Schattenwirtschaft auszuweichen und dadurch die die Regulierung zu umgehen.“
Der Chefökonom der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hält die Studie für unseriös. „Die Datenbasis ist mangelhaft, die Fragestellungen tendenziös und die Modellannahmen sind unrealistisch“, sagte Dierk Hirschel der Deutschen Presse-Agentur. Alle Studien zum Volumen der Schwarzarbeit seien mit Vorsicht zu genießen. Verdi stimme der Hauptaussage, wonach Schwarzarbeit zurückgeht, zu. Maßgebliche Ursache sei jedoch gerade die stärkere Regulierung des Arbeitsmarktes, wie etwa die Einführung des Mindestlohns. „Viele Menschen können von ihrem Lohn jetzt wieder leben.“
Der Deutsche Gewerkschaftsbund fordert mehr Personal für den Zoll und seine Finanzkontrolle Schwarzarbeit. In deutschen Privathaushalten dominiere nach wie vor die Schwarzarbeit, ob bei Putztätigkeiten oder der häuslichen 24-Stunden-Pflege, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Illegale Beschäftigung habe fatale Wirkungen auf einzelne Branchen - beispielsweise im Baugewerbe würden legal arbeitende Unternehmen vom Markt gedrängt.
Von Schwarzarbeit betroffen sind laut Studienautor Friedrich Schneider vor allem Baugewerbe und Handwerk - gefolgt von Gastronomie und haushaltsnahen Dienstleistungen, zu denen etwa auch die 24-Stunden-Betreuung älterer Menschen gehört.
„Wir gehen davon aus, dass 90 Prozent der Betreuung in häuslicher Gemeinschaft in Illegalität stattfindet“, sagte die Sprecherin des Verbandes für häusliche Betreuung und Pflege, Juliane Bohl. Kontrollen in privaten Wohnungen seien rechtlich nur sehr schwierig durchzuführen, erklärte ein Pressesprecher der Generalzolldirektion.
Schwarzarbeit verhindere die soziale Absicherung von Menschen und vernichte Arbeitsplätze, sagte die Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion für Arbeit und Soziales, Katja Mast. „Bei haushaltsnahen Dienstleistungen und in der Pflege müssen wir weiter dran bleiben und illegale Beschäftigungsverhältnisse eindämmen.“
Auch Verdi-Chefökonom Hirschel sieht Handlungsbedarf in der Pflege. „Die Pflege muss finanziell besser ausgestattet werden, damit den Betroffenen ermöglicht wird, tariflich bezahlte Kräfte zu beschäftigen.“