Alptraum aus Polyester Shopping von der Couch mit bösem Ende
Düsseldorf · Unsere Reporterin hat online Kleider bestellt – und bekam Fetzen aus Fernost, die sie auf eigene Rechnung zurücksenden müsste. Kein Einzelfall, sagen Experten.
Der Tag, der das eigene Urteilsvermögen grundlegend infrage stellte, war Anfang August: Bei Facebook ploppte mal wieder so eine Anzeige eines Online-Versandhändlers auf – diesmal mit zwei wirklich hübschen Kleidern im Bild. Der Klick auf diese Bilder verriet: Teuer waren die Teile auch nicht, so um die 30 Euro pro Modell. Da kann man doch kaum etwas verkehrt machen, oder? Und relativ kurzerhand waren drei Kleidchen im Warenkorb, per Kreditkarte bezahlt. Und das Ungemach nahm seinen Lauf.
Innerhalb der angegebenen Lieferzeit von zehn bis zwölf Tagen war überhaupt nur eines der drei Kleider da. Und das war von dem schmucken Modellfoto im Internet so weit entfernt, wie man es sich nur vorstellen kann – nicht bloß, weil das Mannequin vor blauem Himmel in schöner Natur fotografiert worden und nun einmal Mannequin war. Statt anschmiegsamem Hippietraum kam ein Kittel, der wasserabweisend und leicht entflammbar wirkte – ein Alptraum aus Polyester.
Auf Anfrage bei der Serviceadresse des Onlineshops, wie man diese stoffgewordene Scheußlichkeit wieder loswerden könnte, lautete die Antwort: eigentlich gar nicht. „Unser Rückkehrzentrum befindet sich in Guangzhou, China“, schrieb eine Mitarbeiterin – da noch auf Deutsch. Die Rücksendekosten trage der Kunde. „Da eine internationale Rücksendung zu langen Wartezeiten und erheblichen Rücksendekosten auf Ihrer Seite führen kann, empfehlen wir einige alternative Methoden, um dieses Problem zu beheben.“ Sie bot eine Erstattung von 15 Prozent des Kaufpreises in bar an, ohne Rücksendung.
Sechs Wochen warten auf die Bestellung statt zehn bis 20 Tage
Auf Nachfrage, ob das ein blöder Witz sei und wo denn die restlichen zwei Kleider seien, kamen dann mehrere kurze E-Mails auf Englisch mit verschiedenen weiblichen Vornamen als Absender, die auf Inhalte nicht weiter eingingen, eine Seite zur Nachverfolgung von Postsendungen verlinkten und anboten, Labels für die Rücksendung – die laut erster Kollegin ja zu aufwendig und teuer sei – schicken wollten. Nach sechs Wochen waren auch beide anderen Kleider eingetroffen – und fast noch scheußlicher als das erste.
„Ich glaube, so etwas ist fast schon jedem passiert“, sagt Rechtsanwältin Michelle Jahn von der Verbraucherzentrale NRW. „Viele Menschen kommen über Facebookanzeigen auf solche unseriösen Seiten.“ Auffällig sei bei dem betreffenden Onlineshop, dass es kein echtes Impressum – nur ein „Über uns“, das aber die Nationalität des Unternehmens vollkommen verschleiert. Bei den Datenschutzbestimmungen wird eine Adresse im Vereinigten Königreich angegeben. Lediglich unter dem Reiter „Kontakt uns“ gibt es eine Telefonnummer, die bei Kenntnis von Ländervorwahlen hätte verraten können, dass man hier mit China verhandelt.
In der EU ist ein Widerrufsrecht von 14 Tagen Pflicht
„Es ist ein echter Grenzfall“, sagt Jahn. Denn: In der Europäischen Union müsse ein Händler 14 Tage Widerrufsrecht nach Erhalt der Ware einräumen. Das gelte auch für Versandhäuser, deren Angebot auf den europäischen Markt zugeschnitten sei. „Dann müssen die Verbraucherschutzbestimmungen zwingend zur Anwendung kommen.“ Und etwa auch beim Kauf schon über das gesetzliche Widerrufsrecht informiert werden.
Doch: Könne das deutsche oder europäische Recht gegenüber einem Anbieter aus Fernost auch durchgesetzt werden? „Das ist das Riesenproblem“, sagt die Juristin. Es gebe Internetshops, die klar suggerierten, ein heimischer Anbieter zu sein. Bestes Beispiel: die Domain „guterkauf.com.de“, die immerhin ein Impressum hat und so verrät, das sie aus Hongkong operiert – wenn der Kunde denn angesichts der Adresse so weit nachforscht. Immerhin: Auch jener Händler bietet eine Rückerstattung innerhalb von zwei Wochen an; wenn man denn die Sendungkosten nach Hongkong plus 25 Euro Bearbeitungsgebühr als Kunde tragen mag.
„Das Impressum ist in der heutigen Zeit besonders wichtig“, sagt Jahn. „Wenn es keines gibt: Finger davon lassen.“ Kunden sollten zudem immer nachsehen, ob unter den AGB und Nutzungsbedingungen auf die Möglichkeit zum Widerruf hingewiesen wird und zu welchen Bedingungen. Bei Seiten wie jener aus der Facebookanzeigen kann sie vom Kauf nur abraten, schließlich ist eine Sendung nach China auf eigene Kosten keine wirkliche Möglichkeit der Rückgabe. „Und online zu bestellen ohne Widerrufsrecht, das ergibt ja wirklich keinen Sinn“, so die Verbraucherrechtlerin.
Aber auch wenn es ein Impressum gebe, biete das keine umfassende Sicherheit. Die Verbraucherzentrale hat zunehmend Sorge mit Fake-Shops im Internet, die einen seriösen Versandhandel vorgaukeln, wo gar keiner ist. Der Kunde bekommt hier nicht nur schlechte Ware, die er nicht mehr loswird, sondern im Zweifelsfall überhaupt keine. Diese Seiten, so Jahn, würden immer professioneller. Sie rät: „Nie auf einer Seite, auf der man zuvor noch nicht bestellt hat, per Vorkasse bezahlen!“ Wer vorsichtig sein wolle, könne nach Bewertungen anderer Kunden suchen – wobei auch diese gefälscht sein könnten. Oder er könne online im Handelsregister nach dem Unternehmen suchen. „Das machen aber nur ganz wenige“, sagt Jahn.
Was bleibt ist eine teure Lektion zum Thema Online-Einkauf. Und die Hoffnung auf eine zündende Idee, wie die Fetzen aus dem Fernost-Shop wenigstens noch in ein originelles Karnevalskostüm umfunktioniert werden könnten. Für Putzlappen taugt das wasserabweisende Polyester kaum.