Siemens-Chef Kaeser baut Konzern radikal um

Berlin/München (dpa) - Siemens-Chef Joe Kaeser verordnet Deutschlands größtem Elektrokonzern den radikalsten Umbau seit Jahren. Eine neue Struktur soll das Unternehmen schlanker und effizienter machen.

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So will Kaeser die weit verzweigte Siemens-Gruppe auf wachstumsträchtige Geschäfte konzentrieren und näher an die Kundenbedürfnisse rücken.

Für die weltweit gut 360 000 Siemens-Beschäftigten beginnt damit aber auch das große Zittern um die Jobs: Nach dpa-Informationen könnten durch den Umbau zwischen 5000 und 10 000 Arbeitsplätze bedroht sein. Betroffen dürften diesmal vor allem Stellen in der Verwaltung sein.

Die IG Metall forderte nach der Bekanntgabe der Pläne am Mittwoch den Fortbestand der 2010 geschlossenen Standort- und Beschäftigungssicherung, die unter anderem betriebsbedingte Kündigungen ausschließt. Zudem müssten tragfähige Wachstumsstrategien für alle Geschäftsbereiche in der neuen Struktur entwickelt werden. Für den 23. Mai ist nach Angaben der Berliner IG Metall ein bundesweiter Aktionstag zur Sicherung der Standorte geplant.

Am Vorabend hatte der Siemens-Aufsichtsrat den Weg für die tiefgreifende Neuordnung freigemacht. Die von Kaesers Vorgänger Peter Löscher eingeführte Sektoren-Einteilung wird aufgelöst und die Zahl der Divisionen von 16 auf 9 reduziert. Damit sollen auch die Kosten bis zum Herbst 2016 um eine Milliarde Euro gedrückt werden.

Zu den Auswirkungen auf die Arbeitsplätze wollte sich Kaeser am Mittwoch nicht äußern, erklärte aber: „Wer Bürokratieabbau fordert, der muss wissen, dass Bürokratie auch Gesichter hat.“ Über weitere Details werde die Unternehmensleitung nach Beratungen mit den Arbeitnehmervertretern informieren. Siemens hatte erst im Zuge seines Sparprogramms „Siemens 2014“ rund 15 000 Stellen gestrichen.

Zu der Neuausrichtung gehören außerdem eine Verselbstständigung der Medizintechnik und ein Börsengang der Hörgeräte-Sparte, die Siemens vor Jahren erfolglos verkaufen wollte. Auch im Vorstand geht der Umbau weiter. So ersetzt die Shell-Managerin Lisa Davis den bisher für den Energiesektor zuständigen Vorstand Michael Süß.

Im Übernahmepoker um den französischen Konkurrenten Alstom bekräftigte Kaeser ein „ernsthaftes“ Interesse von Siemens. Sonst hätte der Vorstand des Dax-Riesen seine Zeit nicht für den Einstieg in das mögliche Wettbieten mit dem US-Rivalen General Electric (GE) investiert, erklärte der Siemens-Chef. Derzeit prüfe man die Alstom-Bücher, danach könnte ein Angebot aus München kommen.

Siemens wirft vor allem ein Auge auf die Energietechnik der Franzosen und würde diese wohl auch gegen die eigene Zugsparte eintauschen. Damit wollte der Dax-Konzern nach Kaesers Worten ein Zeichen setzen: Er habe die Handlungsfähigkeit der Führungsmannschaft unter Beweis stellen wollen. „Das war mir wichtig.“ Mitarbeiter und Öffentlichkeit sollten sehen, dass der Konzern nicht nur mit sich selbst beschäftigt sei, „sondern dass wir da sind, wenn man uns braucht.“

Sowohl Siemens als auch GE sind an den Franzosen, die etwa für den Hochgeschwindigkeitszug TGV bekannt sind, interessiert. Zuletzt hatte GE die Nase vorn, nachdem der Alstom-Aufsichtsrat den Aktionären eine bindende Offerte der Amerikaner empfahl. Entschieden ist das Rennen damit aber noch nicht.

Die Braut könnte allerdings hübscher sein: Alstom musste am Mittwoch einen Gewinneinbruch melden. Das Nettoergebnis im Geschäftsjahr 2013/14 (31. März) fiel im Vorjahresvergleich um 28 Prozent auf 556 Millionen Euro. Konzernchef Patrick Kron begründete dies mit höheren Kosten für die Restrukturierung und Finanzierung. Der Umsatz stieg ohne Währungseffekte oder Zu- und Verkäufe um vier Prozent auf 20,3 Milliarden Euro.

Bei Siemens fielen die Zahlen des zweiten Geschäftsquartals durchwachsen aus. Unterm Strich verdiente der Konzern 1,15 Milliarden Euro - zwölf Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Im Gesamtjahr will Siemens den Gewinn um mindestens 15 Prozent steigern. Das Sektoren-Ergebnis als Kennziffer für das operative Geschäft kletterte zwischen Januar und März um 16 Prozent auf 1,57 Milliarden Euro.

Währungseinflüsse drückten dagegen auf den Auftragseingang, der um 13 Prozent auf 18,43 Milliarden Euro schrumpfte. Der Umsatz sank um zwei Prozent auf 17,45 Milliarden Euro. Zudem musste Siemens Projektbelastungen von mehr als 430 Millionen Euro schultern. Der größte Brocken waren dabei Probleme mit zwei Hochspannungsleitungen in Kanada, für die neben höheren Baukosten auch Vertragsstrafen wegen Verzögerungen anfielen.