Siemens-Führungschaos endet mit Rauswurf Löschers
München (dpa) - Nach einer Serie von Rückschlägen bei Siemens zieht der Aufsichtsrat die Notbremse und feuert Konzernchef Peter Löscher.
Die Aufseher verständigten sich nach Marathon-Beratungen am Wochenende mehrheitlich auf die Absetzung Löschers und auf die Berufung von Finanzvorstand Joe Kaeser als Nachfolger, wie aus gut informierten Kreisen verlautete.
„Es gibt ein klares Mehrheitsbild im Aufsichtsrat“, hieß es. Löscher war nach zahlreichen Misserfolgen bei Deutschlands größtem Elektrokonzern zunehmend in Bedrängnis geraten. Höhepunkt der Pannen-Serie war die zweite Gewinnwarnung bei Siemens in nicht einmal drei Monaten am vergangenen Donnerstag.
Für Siemens endet die Ära Löscher teuer. Nach seinem Abgang winkt dem Österreicher nämlich eine millionenschwere Abfindung. Wie sich aus dem Geschäftsbericht des Elektrokonzerns ergibt, stehen Vorstandsmitgliedern bei einer vorzeitigen Beendigung ihrer Tätigkeit maximal zwei Jahresvergütungen zu. Insgesamt dürften sich die Zahlungen demnach auf rund 9 Millionen Euro summieren. Bei Siemens hieß es dazu am Sonntag, die Zusagen stünden im Einklang mit den Corporate-Governance-Regeln für gute Unternehmensführung.
Formell müssen die Personalien bei der nächsten regulären Sitzung des Gremiums am kommenden Mittwoch (31. Juli) noch beschlossen werden. Am späten Samstagabend hatte Siemens aber bereits bekanntgegeben, dass ein Wechsel an der Vorstandsspitze anstehe und am Mittwoch beschlossen werden solle. Der 55 Jahre alte Österreicher Löscher führte den Konzern seit 2007. Erst vor zwei Jahren war sein Vertrag vorzeitig um fünf Jahre bis 2017 verlängert worden.
Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ berichtete, Siemens-Chefaufseher Gerhard Cromme sei mit dem klaren Willen zu den Beratungen nach München angereist, Löscher zum Rücktritt zu zwingen. Löscher habe aber gekämpft. Siemens gab am Sonntag dazu keine Stellungnahme ab.
Noch am Freitag hatte Löscher wissen lassen, dass er nicht kampflos aufgeben will. „Mir bläst jetzt der Wind ins Gesicht, aber es war noch nie meine Art, aufzugeben oder schnell die Segel zu streichen“, sagte der Manager der „Süddeutschen Zeitung“. Und weiter: „Ich habe einen Vertrag bis 2017, und gerade jetzt ist der Kapitän bei Siemens mehr gefragt denn je.“
Cromme, der nach seinem Rückzug als Chefaufseher beim Stahlkonzern ThyssenKrupp selbst als geschwächt gilt, hatte den ehemaligen Pharma-Manager Löscher 2007 an die Siemens-Spitze geholt. Damals steckte der Elektrokonzern wegen des milliardenschweren Schmiergeld-Skandals tief in der Krise.
Ruhig und professionell räumte Löscher bei Siemens auf und baute den Konzern um. Doch er kämpfte auch immer wieder mit Problemen wie zuletzt mit der Konjunkturflaute, einer nachlassenden Wachstumsdynamik in Schwellenländern wie China sowie teuren, hausgemachten Projektpannen. Dazu gehören die verspätete Lieferung von ICE-Zügen an die Deutsche Bahn und Verzögerungen bei der Anbindung von Nordsee-Windparks.
Richtig eng wurde es für Löscher aber mit der zweiten Gewinnwarnung in nicht einmal drei Monaten am vergangenen Donnerstag. Siemens hatte bekanntgegeben, dass die für 2014 angepeilte operative Ergebnismarge - also der Anteil des Gewinns am Umsatz - von mindestens zwölf Prozent voraussichtlich nicht erreicht werde.
Die neuerliche Hiobsbotschaft verschreckte die Börsen und ließen die Siemens-Aktie abstürzen. Als sich dann am Freitag die Hinweise auf eine mögliche Ablösung Löschers verdichteten, zogen die Papiere wieder kräftig an.
Schon für das laufende Geschäftsjahr, das am 30. September endet, hatte Löscher die Gewinnprognose angesichts der Pannenserie Anfang Mai kappen müssen. Das nun kassierte Gewinnziel für 2014 galt allerdings als Kernstück des milliardenschweren Sparprogramms „Siemens 2014“. Für sein Erreichen waren Löscher und Kaeser persönlich eingetreten.
Über das Sparprogramm sollen auch tausende Jobs bei Siemens gestrichen werden, genaue Zahlen will das Unternehmen erst zum Geschäftsjahresende veröffentlichen. Spekulationen um bis zu 10 000 bedrohte Stellen sorgen bei den insgesamt 370 000 Beschäftigten seit vielen Monaten für Unruhe.
Am kommenden Donnerstag (1.8.) legt Siemens auch seine Quartalsbilanz vor. In Medienberichten war bereits über durchwachsene Zahlen spekuliert worden.