Ehrgeiz und Lernbereitschaft Studie: Jedem Fünften fehlt Ausbildung für seinen Job

Nürnberg/Gütersloh (dpa) - Sie sind als Facharbeiter oder Techniker beschäftigt - umfassend ausgebildet wurden sie dafür aber nie: Jeder fünfte Arbeitnehmer in Deutschland arbeitet in einer Fachkraft-, Spezialisten- oder Experten-Position, ohne die erforderliche formale Qualifikation zu besitzen.

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Das hat eine neue Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung ergeben. Da sich viele von ihnen aber firmenintern weitergebildet hätten, füllten sie die Stelle oft erfolgreich aus, heißt es in der Studie der Ruhr-Universität Bochum. Sie profitierten dabei nicht nur von ihrer großen Lernbereitschaft, sondern auch von ihrer oft langen Berufserfahrung. Über die Studie hat zuerst die Wochenzeitung „Die Zeit“ berichtet.

Der Unterschied zwischen beiden Kollegen-Gruppen mache sich allerdings am Monatsende auf dem Gehaltskonto bemerkbar: Formal unzureichend qualifizierte Beschäftigte verdienten häufig schlechter als ihre Kollegen mit Gesellen- oder Meisterbrief oder gar einer Hochschulausbildung, heißt es in der Studie. Auch sei für sie ein Stellenwechsel oft schwierig, weil Firmen bei Bewerbungen auf Zertifikate achteten.

Besonders häufig werden nach Erkenntnissen der Forscher Facharbeiterstellen mit formal unterqualifizierten Beschäftigten besetzt. So arbeiten 54 Prozent der Arbeitnehmer ohne Abschluss auf Fachkraftstellen. Nicht ganz so groß sei wiederum für Absolventen einer Ausbildung die Chance, Spezialistenpositionen zu besetzen, die für gewöhnlich eine Meister- oder Technikerausbildung oder einen Bachelor-Abschluss erforderten. Von diesen Ausbildungsabsolventen arbeiten lediglich 11 Prozent auf Spezialistenstellen.

Besonders groß ist nach Erkenntnissen der Wissenschaftler der Anteil der formal Unterqualifizierten bei Führungskräften. Knapp 60 Prozent von ihnen seien dafür nicht adäquat ausgebildet. Auch in akademischen Berufen tummelten sich der Studie zufolge mit 33,5 Prozent immer noch viele Beschäftigte, die keinen entsprechenden Hochschulabschluss vorzuweisen hätten. Geringer sei der Anteil in Dienstleistungs- und Handwerksberufen mit streng reglementierten Berufsausbildungen.

Angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels plädieren die Wissenschaftler für eine „Anerkennungskultur“ in der deutschen Wirtschaft: Firmen sollten in der Praxis erworbene Kenntnisse künftig bei der Beurteilung von Beschäftigten stärker gewichten. Zudem sollten sie dieser Beschäftigtengruppe die Möglichkeit geben, bestehende Kenntnisse mittels Ausbildungsbausteinen zu einem beruflichen Vollabschluss auszubauen, raten die Forscher.