Studie Studie: Umstellung auf Elektroantriebe kostet Zehntausende Jobs
Frankfurt/Main. Die Umstellung auf Elektroantriebe könnte Zehntausende Beschäftigte in der deutschen Autoindustrie die Jobs kosten.
Dies ist das Ergebnis einer Fraunhofer-Studie, für die die wichtigsten deutschen Hersteller und Zulieferer Produktionsdaten zur Verfügung stellten.
Das härteste Szenario geht dabei von einem Neuwagen-Elektroanteil von 90 Prozent im Jahr 2030 aus. Demnach würde mehr als die Hälfte der rund 210 000 Menschen, die derzeit noch Motoren und Antriebe in Deutschland bauen, ihre Arbeit verlieren. Insgesamt waren in der deutschen Autoindustrie im vorigen Jahr 840 000 Beschäftigte tätig.
IG-Metall-Chef Jörg Hofmann geht zwar von einem langsameren Umbau aus, weil der Aufbau der Lade-Infrastruktur seiner Einschätzung nach nur verzögert vorankommt. Doch auch unter der Annahme eines Elektroanteils von 40 Prozent dürfte der Untersuchung zufolge im Jahr 2030 jeder dritte Antriebs-Job wegfallen, wenn die allgemeinen Produktivitätsfortschritte berücksichtigt sind. Auch andere Branchen wie Stahlhersteller oder Maschinenbauer würden getroffen.
Die Ergebnisse böten aber keinen Grund zur Angstmacherei, sondern zeigten, dass die Herausforderungen zu bewältigen seien, meinte der Gewerkschafter. „Die Politik muss den notwendigen Strukturwandel durch eine zielgerichtete Industrie- und Beschäftigungspolitik flankieren, die Unternehmen müssen vor allem mit einer massiven Qualifizierungsoffensive dafür sorgen, dass die Beschäftigten in diesem Wandel nicht unter die Räder kommen“, erklärte Hofmann. Die IG Metall gehört neben dem Verband der Automobilindustrie (VDA) ebenfalls zu den Initiatoren der Studie.
In einzelnen Regionen könnte es ohne ein Gegensteuern zu heftigen Problemen am Arbeitsmarkt kommen. Bosch-Konzernbetriebsrat Hartwig Geisel weist beispielsweise auf die Werke im saarländischen Homburg und im fränkischen Bamberg hin, deren 13 000 Beschäftigte nahezu ausschließlich Teile für Verbrennungsmotoren bauen. „Da wird die Luft extrem dünn. Neue Technologien müssen hier angesiedelt werden, um die industrielle Basis zu erhalten“, mahnt der Arbeitnehmervertreter. Fraunhofer-Studienleiter Oliver Riedel sieht auch kleinere, auf Verbrennungsmotor-Komponenten spezialisierte Zulieferer gefährdet.
Kern der E-Mobilität ist die Batterie, die bislang vor allem in den Händen chinesischer und südkoreanischer Hersteller ist. „Die Zelle ist der Kolben von morgen“, mahnt Hofmann, um Kompetenzen langfristig zu sichern. VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh setzt sich dafür ein, dass zumindest die nächste Batterie-Generation der Feststoffzelle in Europa gebaut wird. Jetzt noch in die konventionelle Lithium-Ionen-Technologie zu investieren, hält er für falsch.
Trotz erheblicher Investitionen in die Elektromobilität - allein VW hat für die kommenden fünf Jahre rund 30 Milliarden Euro angekündigt - würden künftig auch die Markenhersteller weniger Arbeitsplätze bieten, ist Osterloh überzeugt. Ein Elektro-Antriebsstrang bestehe aus 200 Teilen im Vergleich zu rund 1200 bei konventioneller Technik. Die notwendige Montagezeit pro Auto sinke von derzeit etwa 20 auf unter 15 Stunden. Die IG Metall will nun möglichst für jeden Betrieb eine kleine Studie zu den konkreten Arbeitsplatz-Folgen erstellen.
Auf den Wandel hin zu E-Antrieben seien die Unternehmen vorbereitet, erklärte der VDA. Gerade die mit der Elektrifizierung verbundenen Beschäftigungseffekte verlangten eine gemeinsame Anstrengung von Industrie, Gewerkschaft und Politik. Der Verband warnte vor zu ehrgeizigen Klimaschutzzielen und verlangte eine angemessene Berücksichtigung der beschäftigungsintensiven Plug-in-Hybride als Übergangstechnologie. Zudem müsse der Aufbau der Ladeinfrastruktur europaweit vorangetrieben werden.
Der auch für die Autoindustrie zuständige Verband Gesamtmetall betonte die Bereitschaft der Arbeitgeber zur Qualifizierung der Mitarbeiter. Es müsse aber auch geklärt werden, wie ein technisch weniger anspruchsvoller Antrieb zu wettbewerbsfähigen Preisen auch an den deutschen Standorten produziert werden könne, mahnte Hauptgeschäftsführer Oliver Zander. Sozialpartner und Gesetzgeber müssten dazu die Arbeitskosten fest im Blick behalten. (dpa)