Talfahrt der Ölpreise geht weiter
New York/London (dpa) - Die Ölpreise rutschen weiter auf breiter Front ab, der Minustrend schien nur kurzzeitig gebremst. Was Experten als „rabenschwarzen Auftakt“ ins Handelsjahr 2015 beschreiben, freut die Verbraucher.
Doch der Preisverfall birgt nach wie vor auch Gefahren.
Die Ölpreise haben am Dienstag nach einer kurzen Phase der Erholung ihre Talfahrt fortgesetzt. Am Mittag fiel der Preis für US-Rohöl deutlich unter die Marke von 50 Dollar: Bei 48,93 Dollar erreichte er den tiefsten Stand seit dem Frühjahr 2009. Der Preis für Rohöl der Nordseesorte Brent gab ebenfalls stark nach. Ein Fass kostete hier zuletzt 1,20 Dollar weniger (51,91 Dollar). Die Inflationsrate in Deutschland sank im vergangenen Jahr - vor allem wegen des Ölpreis-Absturzes - auf den niedrigsten Stand seit 2009.
„Die Ölpreise erleben einen rabenschwarzen Auftakt in das neue Handelsjahr“, sagten Experten der Commerzbank zur Stimmung am Markt. Seit dem Sommer sind die Notierungen um über die Hälfte eingebrochen, weil ein hohes Angebot auf dem Weltmarkt für Verkaufsdruck sorgt. Fachleute gehen davon aus, dass in der ersten Hälfte 2015 pro Tag 1,5 Millionen Barrel Rohöl zu viel auf dem Weltmarkt sein werden.
Die Ölschwemme drückt mittlerweile auch die Verbraucherpreise. Vereinzelt wird an deutschen Tankstellen ein Liter Diesel bereits für rund 1,10 Euro angeboten. Die gesunkenen Ölpreise sind ein Hauptgrund dafür, dass die Inflation in der Bundesrepublik 2014 auf den tiefsten Stand seit fünf Jahren abnahm. Nach vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamts vom Montag sank die Jahresteuerung auf 0,9 Prozent. Zuletzt waren die Verbraucherpreise den Angaben zufolge im Krisenjahr 2009 mit einer Rate von 0,3 Prozent langsamer gestiegen.
Volkswirte sehen in dem starken Einbruch der Ölpreise ein „kleines Konjunkturprogramm“ für die lahmende Wirtschaft in der Eurozone: Durch geringere Energiekosten können Verbraucher und Firmen in den kommenden Monaten mehr investieren. Die Entwicklung birgt aber auch Gefahren, sollte der Trend über längere Zeit anhalten. Dann könnte nach Einschätzung mancher Beobachter eine Deflation drohen: eine sich selbst verstärkende Abwärtsspirale aus erwarteten weiteren Preisrückgängen, ausbleibendem Konsum und zu geringen Investitionen.
Die Europäische Zentralbank (EZB) sieht Preisstabilität bei einer Teuerung von mittelfristig knapp zwei Prozent als gewährleistet an. Es gilt daher als sicher, dass die Währungshüter die Geldschleusen im Kampf gegen die zu schwache Teuerung noch weiter öffnen werden.
Den aktuellen Preisrutsch bei US-Öl erklärten Experten unter anderem mit der Aussicht auf steigende Ölreserven in den Vereinigten Staaten. Demnach dürften die Lagerbestände in der größten Volkswirtschaft der Welt um 750 000 Barrel gestiegen sein. Ein Zuwachs der Ölreserven kann ein Hinweis auf eine schwächere Nachfrage sein. Die US-Regierung wird die offiziellen Daten am Mittwoch veröffentlichen.