Top-Manager warnen vor überzogenen Lohnerhöhungen
Berlin (dpa) - Mehr Geld für die Arbeitnehmer im Aufschwung - das halten auch die Chefs von Dax-Konzernen für richtig, warnen aber vor übertriebenen Forderungen. Die Löhne nach oben treiben könnte auch der drohende Arbeitskräftemangel.
Denn inzwischen fehlen sogar Hilfsarbeiter.
Vorstandschefs deutscher Konzerne haben die Tarifpartner trotz boomender Konjunktur vor überzogenen Lohnabschlüssen in diesem Jahr gewarnt. „Der große Schluck aus der Pulle ist mit Vorsicht zu genießen“, sagte der Chef des Chemiekonzerns BASF, Jürgen Hambrecht, der „Welt am Sonntag“ („WamS“) mit Blick auf die Sicherung der Arbeitsplätze. Telekom-Boss René Obermann sagte der „Bild am Sonntag“ („BamS“) an die Adresse der Gewerkschaften gerichtet: „Man sollte weiterhin mit Augenmaß vorgehen, damit wir auch in zehn Jahren noch gut dastehen.“
Hambrecht zufolge haben viele Beschäftigte aufgrund erfolgsabhängiger Prämien in ihren Unternehmen in diesem Jahr bereits mehr in der Tasche. Diese Zuschläge würden je nach Branche zwischen 20 und 50 Prozent höher als 2010 ausfallen. Auch tarifliche Lohnerhöhungen seien gerechtfertigt. „Wir müssen die Arbeitnehmer selbstverständlich im Rahmen der Möglichkeiten am Aufschwung beteiligen“, sagte Deutsche-Post-Vorstandschef Frank Appel der „WamS“. „Dabei dürfen wir nicht auf dem Auge verlieren, dass wir mit dem Aufschwung 2010 gerade einmal den Einbruch von 2009 wettgemacht haben.“
Der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, geht sogar von deutlichen Steigerungen bei den Löhnen aus. „Lassen Sie die Drei vor dem Komma stehen, um den Spielraum abzustecken“, sagte Hüther dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Samstag). Da die Inflation moderat sei, werde „mit Sicherheit“ auch unterm Strich bei den Arbeitnehmern etwas ankommen.
Als Problem sehen die Unternehmen weiterhin die Suche nach geeignetem Personal. Die günstige Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt führt nach Brancheneinschätzungen nicht nur bei Fachkräften, sondern nun sogar bei Hilfsarbeitern zu Engpässen. Im Produzierenden Gewerbe seien derzeit rund 40 000 Stellen für Geringqualifizierte unbesetzt, berichtet die „Bild“-Zeitung (Samstag) unter Berufung auf den Bundesverband Zeitarbeit (BZA). Im Autobau seien Hilfsarbeiter für Produktion und Lager inzwischen so knapp, dass nicht alle Stellen sofort und in vollem Umfang besetzt werden könnten.
BZA-Chef Volker Enkerts sagte der Zeitung, dass die Lage am Arbeitsmarkt in diesem Segment in einigen Regionen auch Folgen für die Lohngestaltung habe: „Zum Teil werden ein bis zwei Euro Stundenlohn mehr bezahlt als tariflich vorgeschrieben.“
Für etwas Entspannung könnte dabei laut einer Umfrage der IW Consult im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) und der „Wirtschaftswoche“ die Öffnung des Arbeitsmarktes für osteuropäische Arbeitskräfte zum 1. Mai sorgen. Fast 70 Prozent der dabei befragten Ökonomen glauben, dass dies die Rekrutierung für die Unternehmen erleichtern wird. Die Hälfte der Wissenschaftler rechnet damit, dass überwiegend Geringqualifizierte einwandern. 30 Prozent der Experten erwarten eine verstärkte Zuwanderung von Fachkräften mit einer Berufsausbildung und 19 Prozent gehen von einem hohen Zuzug von Akademikern aus.
Telekom-Chef Obermann sagte der „BamS“: „Im IT-Bereich kommt in den nächsten Jahren ein Fachkräftemangel in sechsstelligen Größenordnungen auf uns zu - das darf nicht sein.“ Die Telekom habe derzeit 628 Stellenangebote im Inland. „Wir können nicht alle Stellen durch eigene Aus- und Fortbildung besetzen“, betonte Obermann. „Wir sind auch auf Zuwanderung angewiesen.“