Umfrage: Bundesbürger misstrauen europäischer Krisenpolitik

Köln/Frankfurt (dpa) - Nach Abzug der Inflation verlieren Anleger auf dem Sparbuch oder dem Tagesgeldkonto Geld. Zwar legen die meisten Deutschen deshalb nicht weniger auf die hohe Kante - aber die Angst um die eigene Altersvorsorge ist groß.

Die Menschen in Deutschland stellen der europäischen Krisenpolitik ein verheerendes Zeugnis aus. Auch wenn sich die Finanzmärkte zuletzt beruhigt haben und Irland und Spanien den Euro-Rettungsschirm bald verlassen wollen: Nach einer repräsentativen Online-Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov misstrauen 72 Prozent der Bundesbürger der Krisenstrategie von Regierungen, EU und Europäischer Zentralbank (EZB). Nur 15 Prozent vertrauen Politik und Notenbank.

Insbesondere die Niedrigzinspolitik der EZB macht den Menschen zu schaffen. 56 Prozent der Befragten machen sich Sorgen um ihre Altersvorsorge - denn die Inflation frisst die Zinsen auf. Sie macht es auch Lebensversicherern immer schwieriger, die Garantieverzinsung zu erwirtschaften. Der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) hatte kürzlich vor einer Erosion der deutschen Spar- und Vorsorgekultur gewarnt, wenn die niedrigen Zinsen zum Dauerzustand werden. Seither hat die EZB den Leitzins nochmals gesenkt - auf das Rekordtief von 0,25 Prozent.

Trotzdem spart nach der Umfrage nur jeder Vierte (26 Prozent) angsichts der mickrigen Zinsen weniger, jeder Dritte (35 Prozent) gibt mehr Geld als sonst für den Konsum aus. Mit 62 Prozent der Befragten hat die Mehrheit hingegen weder ihr Spar- noch ihr Konsumverhalten geändert. Um die eigentlich geplante Summe für die Altersvorsorge anzusammeln, müssten die Menschen tatsächlich aber sogar mehr Geld auf die hohe Kante legen als bei einer höheren Verzinsung.

„Ein Großteil der Leute spart so wenig, dass sich der Aufwand gar nicht lohnt, etwas anzupassen“, sagte YouGov-Finanzexperte Guido Kiell. Viele Menschen wollten sich mit dem Thema Geldanlage auch lieber gar nicht beschäftigen oder sie legten ihr Geld automatisiert in Sparplänen an. „Da reagieren die Menschen nicht so schnell, wenn sich die Zinsen ändern.“

Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hatte erst am Mittwoch betont, dass er die Sorgen vor einer „schleichenden Enteignung der deutschen Sparer“ nachvollziehen könne. Allerdings sei es ja gerade das Ziel der expansiven Geldpolitik, kurzfristig die Nachfrage zu stärken: „Bildlich gesprochen also Sparer vorübergehend stärker zu Konsumenten und Investoren zu machen. Entsprechend ist die deutsche Sparquote derzeit auf dem niedrigsten Niveau seit Anfang 2002.“