NRW Unternehmer-Verband stellt Forderungen an die Landespolitik
Arndt Kirchhoff, Präsident von Unternehmer NRW, hält nicht mit Kritik an der Landesregierung hinterm Berg. 60 Seiten umfasst ein Forderungskatalog vor der Landtagswahl im kommenden Mai.
Iserlohn. „Ich glaube schon, dass sie weiß, dass man das besser machen kann und besser machen muss.“ Arndt Kirchhoff, der Präsident von Unternehmer NRW, Spitzenorganisation der Arbeitgeber und Wirtschaftsverbände, meint Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). Und die schwache Performance des Landes NRW in Wirtschaftsfragen wie insbesondere den schwachen Wachstumswerten und der hohen Arbeitslosigkeit.
„Auch die Regierungschefin kann mehr“, sagt der 61-Jährige vor Journalisten in Iserlohn, am Stammsitz seines Unternehmens, dem Autozulieferer Kirchhoff. Und während die Parteien im Land noch an ihren Wahlprogrammen für die Landtagswahl im kommenden Mai feilen, stellt Kirchhoff nun schon mal eine Art eigenes Wahlprogramm vor - Forderungen und Wünsche, die die Unternehmen an die Politik stellen.
Dabei habe die Landesregierung sehr wohl große politische Gestaltungsmöglichkeiten, heißt es in dem Forderungskatalog. In Anspielung darauf, dass Ministerpräsidentin Kraft das Nullwachstum im Land auch damit begründet hatte, dass weniger die Landespolitik als vielmehr äußere Faktoren verantwortlich seien für das im nationalen Ranking schlechte Abschneiden von NRW. Wie etwa ruinöse internationale Stahlpreise oder die im Land mit seinen großen Energieversorgern besonders von der Energiewende betroffenen Unternehmen.
Angesichts der immer noch großen Standortvorteile des Landes mit seiner dichten Hochschullandschaft, seiner hohen Freizeitwerte und vor allem seiner guten Lage in Europa - Kirchhoff: „wir sitzen wie die Spinne im Netz“ - fühlten sich die Unternehmen immer noch wohl. „Aber man muss dem Ganzen einen Schubs geben“, wie er es ausdrückt. Dabei sorge die bisherige rot-grüne Landesregierung immer wieder für Reibungsverluste. „Die Regierung muss den Wettbewerb moderieren und nicht einen Wettbewerb in den eigenen Reihen veranstalten.“
Kirchhoff spricht von „Ressortegoismus“ und dass die Regierung es oft nicht schaffe, „einen Gleichlauf herzustellen“. Beim Arbeitsminister höre man etwas anderes als beim Wirtschaftsminister. Und mit Blick auf Rot und Grün in der Regierung kritisiert er, „Einzelne in beiden Lagern dürften mal dieses und mal jenes machen.“ Gerade bei der Infrastruktur, sei es bei Verkehrsprojekten oder der dringend notwendigen Digitalisierung, müsse es aber einen Gleichklang in der Regierung geben.
In ihrem am Donnerstag erscheinenden 60-seitigen Leitfaden „Starke Wirtschaft. Starkes Land“ führt der Dachverband Unternehmer NRW zahlreiche Wünsche an die neue Landesregierung auf, die im kommenden Frühjahr das Ruder übernimmt, sei sie nun in rot-grüner oder in einer anderen Farbenkonstellation.
Da geht es in besonderer Weise auch um Bildungsfragen. „Im Vergleich zu anderen Industrieländern leisten wir uns zu lange Ausbildungszeiten“, sagt Kirchhoff. Es solle beim Abitur nach acht Jahren bleiben. In dem Programm heißt es: „Statt G 8 mit viel Aufwand wieder rückgängig zu machen, sollten gute Rahmenbedingungen für die Gymnasien geschaffen werden.“ An dieser Stelle sind die Unternehmer ganz bei der grünen Schulministerin Sylvia Löhrmann.
Doch man will mehr. Wichtig sei, dass an den Schulen eine fundierte ökonomische Bildung vermittelt werde, dafür müsse es ein eigenständiges Unterrichtsfach geben. Man müsse über Vergütungsanreize für Lehrer nachdenken, die sich in zusätzlichen Aufgaben engagieren. Die naturwissenschaftlichen Fächer müssten gestärkt werden. „Und beim Projekt Digitalisierung brauchen wir einen Netzwerker an jeder Schule, der für das Funktionieren der digitalen Technik verantwortlich ist“, fordert Kirchhoff.
Klare Kante auch beim Thema Studiengebühren: Diese sollten wieder eingeführt werden, fordern die Unternehmer. In dem Papier heißt es: „Es ist nur gerecht und sozial, wenn Studierende, die später in hohem Maße von ihrer Ausbildung profitieren, auch an den Kosten beteiligt werden.“ Das könne durch eine nachgelagerte Erhebung durch Darlehensmodelle gesichert werden.
Weiter geht es in dem Papier um die Forderung, deutlich mehr in die Verkehrsinfrastruktur zu investieren oder auch darum, „die Blockade gegen 25-Meter-Lkw zu beenden“. Die Braunkohle, die aktuell noch zu rund 40 Prozent zur Stromerzeugung in NRW beitrage, gelte es weiter zu nutzen. Überhaupt appelliert Kirchhoff daran, dass die gesamte Wertschöpfungskette im Land erhalten bleiben müsse, insbesondere auch die Stahlproduktion.
Und er betont die Wichtigkeit der Industrie: „Wohlstand fällt nicht wie Manna vom Himmel und dienstleistende Tätigkeiten basieren am Ende auf der Industrie, sind von ihr abhängig.“ Auch das Stärken der Justiz und der Sicherheitsbehörden, so heißt es in dem Papier, sei ein „nicht zu unterschätzender Standortfaktor.“
Bei den Flüchtlingen müsse Integrationsbereitschaft eingefordert und sanktioniert werden. Dabei ist Kirchhoff durchaus optimistisch, dass auch die aktuelle Zuwanderung demographische Probleme lösen kann, wenn sie durch Integration, insbesondere intensiven Sprachunterricht gestützt wird. Eine deutliche Position vertritt der Unternehmerpräsident auch, wenn es um die Analyse des starken Wahlergebnisses in Mecklenburg-Vorpommern geht.
Die demokratischen Parteien der Mitte hätten versagt, die Zusammenhänge überzeugend zu erklären. Auch müssten die Außengrenzen der EU deutlich sichtbar mit Truppen gesichert werden. Es müsse vernünftige und menschenwürdige Auffanglager, bezahlt von der EU, geben. Und hierzulande brauche es dringend eine große Diskussion über unsere Werte. „Dass wir klarmachen, dass wir als Gastgeber hier die Werte vorgeben und nicht aufgeben. Und dass der, der das nicht respektiert, gehen muss. Ich erwarte von den Parteien der Mitte, dass sie das klar machen“, sagt Kirchhoff.