Nur vereinzelt Skepsis Volkswirte sehen deutsche Wirtschaft in Top-Form
Nürnberg/Berlin (dpa) - Viele Ökonomen sehen die deutsche Wirtschaft in Top-Form und rechnen weiter mit einem stabilen Aufwärtstrend. Dafür sprächen nicht nur die Erholung der Weltkonjunktur und die damit verbesserten Exportchancen für die Industrie.
Auch Risiken im Zusammenhang mit dem Brexit oder der Politik von US-Präsident Donald Trump hätten sich abgeschwächt, erklärten Volkswirte deutscher Großbanken in einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur.
„Die Konjunktur läuft immer besser, die Unternehmen werden immer optimistischer“, sagt Allianz-Volkswirt Rolf Schneider. „Was sich derzeit bei der Konjunktur zeigt, geht über unsere Erwartungen hinaus.“ Ifo-Experte Felix Schröter pflichtete ihm bei: „Wir gehen durchaus von einer aufwärts gerichteten Entwicklung aus.“
Optimistisch zeigte sich auch DZ-Bank-Ökonom Michael Holstein, der für 2017 mit einem Wachstum der deutschen Wirtschaft um 1,7 Prozent rechnet. Das liege etwa an wichtigen Exportmärkten: Ob in den USA, Europa oder China - in vielen Ländern sei eine positive Entwicklung zu verzeichnen. Für Commerzbank-Konjunkturexperte Eckart Tuchtfeld kommt hinzu, dass inzwischen in vielen Chefetagen die Sorge vor einer Abschottung des US-Marktes nur noch eine untergeordnete Rolle spiele.
Vor überzogener Zuversicht warnt indes Stefan Kipar, Volkswirt bei der Landesbank Bayern LB. „Wir sind viel pessimistischer, als es die Unternehmensstimmung derzeit anzeigt“, sagte er mit Blick auf das ungewöhnlich positive Ifo-Geschäftsklima. „Im Moment widersprechen die Daten zu Auftragseingängen und zur Produktion der Euphorie.“ Es sei aber möglich, dass sich das in den kommenden Monaten noch ändere.
Einig sind sich die Fachleute darin, dass sich die gute Lage auf dem Arbeitsmarkt fortsetze. Vor der Bekanntgabe der Arbeitsmarktdaten für den Mai deute vieles darauf hin, dass die Zahl der Arbeitslosen im Jahresschnitt 2017 deutlich stärker zurückgehen werde als erwartet. Die Ökonomen rechnen mit einer Erwerbslosenzahl um die 2,5 Millionen.
Trotz des guten Gesamttrends können die Entwicklungen in einzelnen Alters- und Bevölkerungsgruppen aber sehr unterschiedlich ausfallen. Die „Passauer Neue Presse„ (Samstag) berichtete unter Berufung auf Daten der Bundesagentur für Arbeit, dass etwa die Zahl der Minijobber über 65 Jahren im vergangenen Herbst zum ersten Mal über die Schwelle von einer Million gestiegen sei.
Im September 2016 seien fast doppelt so viele Menschen im Rentenalter einer geringfügigen Beschäftigung nachgegangen wie noch im Jahr 2003. Die Vizechefin der Linksfraktion im Bundestag, Sabine Zimmermann, sagte dem Blatt, die meisten dieser Minijobber arbeiteten sicherlich „nicht zum Spaß und Zeitvertreib, sondern aus finanzieller Not“. Das Rentenniveau müsse daher steigen.
Nach Einschätzung des Chefvolkswirts der KfW-Bankengruppe, Jörg Zeuner, war für den Beschäftigungsanstieg insgesamt im Frühjahr der Wohnungsbau die treibende Kraft: „Die Bauzinsen verharren nahe ihrem historischen Tiefstand von zwei Prozent. Das hat den Investitionen Privater in Wohneigentum seit dem vergangenen Jahr noch einmal einen Schub gegeben. Die Aussichten für den Arbeitsmarkt bergen bis zum Jahresende kaum Enttäuschungspotenzial.“
Im Mai ist nach Schätzung der Volkswirte die Zahl der Arbeitslosen dank des Frühjahrsaufschwungs um rund 70 000 auf 2,5 Millionen gesunken. Dies wären etwa 160 000 weniger als vor einem Jahr. Aber auch ohne die saisonalen Rückgänge wäre die Erwerbslosenzahl demnach um 10 000 bis 15 000 gefallen. Die Volkswirte berufen sich dabei auf eigene Berechnungen. Die offiziellen Arbeitslosenzahlen will die Bundesagentur für Arbeit am Mittwoch (31. Mai) veröffentlichen.