„Nicht mutig genug“ VW-Chef geht mit Branchenverband VDA ins Gericht

Berlin (dpa) - VW-Chef Matthias Müller geht in der Debatte über den Umweltschutz im Autoverkehr mit der eigenen Branche und ihrem Verband VDA kritisch ins Gericht.

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„Der VDA kann nur erklären, was von allen Mitgliedern mitgetragen wird. Manchmal braucht es aber eben Klarheit und nicht nur einen Minimalkonsens“, sagte Müller der „Welt am Sonntag“. „Um es etwas scharf zu formulieren; Wir waren nicht mutig genug, wir hätten früher agieren müssen.“ Die Verbandswelt werde sich zudem angesichts der öffentlichen Debatten „neu sortieren“ müssen. „Die Kluft zwischen Unternehmen und Gesellschaft wächst“, sagte Müller. „Wir in der Wirtschaft müssen die Zusammenhänge besser erklären.“ Der VDA wollte sich auf dpa-Anfrage am Sonntag zu Müllers Aussagen nicht äußern.

Beim nötigen „Systemwechsel“ zur Elektromobilität mahnte Müller mehr Tempo an - sowie ein vereintes Vorgehen der gesamten Industrie und der Politik. „Allein werden wir den Systemwechsel nicht hinbekommen. Wir brauchen eine Partnerschaft für die Mobilität der Zukunft“, verlangte der VW-Chef. „Da stehen auch andere Wirtschaftszweige in der Verantwortung, und natürlich ist auch die Politik in der Pflicht.“ Heute habe es die Autoindustrie mit vier bis fünf Ministerien zu tun, die oft konträre Auffassungen verträten. „Eine einheitliche Linie ist da eher die Ausnahme“, kritisierte Müller. „Wir kommen also in kein konstruktives gemeinsames Gespräch.“

Erst vor zwei Wochen hatte Müller - ebenfalls in einem Interview - die bestehenden Steuervorteile für Dieselsprit in Zweifel gezogen. Seine Kernbotschaft: „Wenn der Umstieg auf umweltschonende E-Autos gelingen soll, kann der Verbrennungsmotor Diesel nicht auf alle Zeiten weiter wie bisher subventioniert werden.“ Konkret schlug Müller eine schrittweise Umschichtung der Steuererleichterungen vor. „Das Geld könnte sinnvoller in die Förderung umweltschonender Antriebstechniken investiert werden. „Abstriche bei den Dieselsubventionen, dafür Anreize für Elektroautos, wären das richtige Signal. Das würden wir aushalten, ohne gleich Existenzängste haben zu müssen.“

Müller hatte für seinen Vorstoß viel Zuspruch, aber auch heftige Kritik erhalten. FDP-Generalsekretärin Nicola Beer hatte Müller als „Diesel-Judas“ attackiert und ihm „ungenierte Selbstbedienung zu Lasten der Dieselfahrer“ vorgeworfen. In der „Welt am Sonntag“ sprach Müller von einer „trostlosen Diffamierung“ und sagte: „Das ist unsachlich und spricht mehr für Polemik als für Sachverstand.“

Der VW-Chef machte auch deutlich, dass der Dieselantrieb aller Kritik zum Trotz „eine Top-Technologie“ sei und „auch auf mittlere Sicht weiter ein wichtige Rolle“ spielen werde. Er wies aber auch auf künftige Emissionsvorgaben der EU zum Klimaschutz hin. „Wir müssen ab 2020 deutlich mehr, sehr viel mehr Elektrofahrzeuge verkaufen, sonst werden wir die CO2-Ziele verfehlen. Dann drohen gewaltige Strafzahlungen“, sagte Müller. „Von den Arbeitsplätzen und der Zukunftsfähigkeit unserer Industrie ganz zu schweigen. Deswegen fordere ich dazu auf, dass jetzt alle ihre Hausaufgaben erledigen.“