VW ruft 2,6 Millionen Fahrzeuge zurück
Der Autobauer bekommt die Nachteile der Baukasten-Strategie zu spüren. Alle Konzernmarken sind von Qualitätsproblemen betroffen.
Wolfsburg. Gleiche Teile, gleiche Probleme: Europas größter Autobauer Volkswagen bekommt im Wettrennen um die Weltspitze die Schattenseiten seiner Baukasten-Strategie zu spüren.
Weil immer mehr Marken der Konzernfamilie aus Kostengründen auf identische Bauteile setzen, wächst auch das Risiko millionenfacher Rückrufe. Ein erstes Beispiel für diese Gefahr gab es jetzt, als VW auf einen Schlag gut 2,6 Millionen Fahrzeuge in die Werkstätten orderte — das ist mehr, als die VW-Gruppe im Startquartal 2013 absetzte.
Der Löwenanteil der Probleme hängt an ein und demselben Getriebe. Und das ist auch noch eine ureigene Erfindung der VW-Ingenieure. Das Dilemma: Ausgerechnet die fünf absatzstärksten Konzernmarken nutzen das sogenannte Doppelkupplungsgetriebe DSG, das nun weltweit Ärger bereitet. Es geht um 1,6 Millionen Autobesitzer, denen VW zu einem freiwilligen Werkstattbesuch rät, „um die Zufriedenheit der DSG-Kunden weiter zu gewährleisten“.
Die Qualitätsprobleme erreichen damit ein Ausmaß, das bislang vor allem Konkurrenten wie General Motors und Toyota empfindlich traf. Die mussten durch ihre schiere Größe schon häufiger Rückrufe im Millionenbereich organisieren — eine Aufholjagd auf diesem Gebiet hätten die Wolfsburger als globale Nummer drei wohl gern vermieden.
Doch über kurz oder lang hatten Experten mit Aktionen dieser Größenordnung auch bei Volkswagen gerechnet. So kommt der Rückruf für Stefan Bratzel von der Fachhochschule Bergisch Gladbach „nicht wahnsinnig überraschend. Das ist das Damokles-Schwert, das über der Plattformstrategie hängt“.
Hier müssen auch die Wolfsburger ansetzen, um Gefahren möglichst gering zu halten. Denn mittelfristig sollen pro Jahr vier Millionen Autos auf Basis des sogenannten Modularen Querbaukastens vom Band laufen. „Qualität muss dabei vor Geschwindigkeit gehen“, sagt Bratzel und betont die Bedeutung der Qualitätssicherung, die penibel auf kleinste Unregelmäßigkeiten achten müsse. Wenn es irgendwo hakt, sei Eile geboten: „Man muss die Fehler möglichst frühzeitig feststellen.“ Sonst potenziere sich das Risiko.
Volkswagens Gewinnprognose sehen Experten durch die umfangreiche Rückrufaktion aber nicht in Gefahr. Zwar kalkuliert Analyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler in einer groben Schätzung etwa 50 bis 100 Euro Kosten je Auto — das wären insgesamt bis zu 260 Millionen Euro. Allerdings habe der Konzern genügend allgemeine Rückstellungen, um einen solchen Sonderaufwand zu stemmen.
Schwacher Trost für VW: Die Probleme beim Tiguan und Amarok sollen auf die Kappe der Zulieferer gehen.