Familienimperium Was wird aus Tengelmann nach Karl-Erivan Haub?
Mülheim/Ruhr (dpa) - Das Verschwinden von Konzernchef Karl-Erivan Haub ist für das mehr als 150 Jahre alte Familienunternehmen Tengelmann ein massiver Einschnitt.
Rund 15 Jahre lang drückte der asketische Unternehmer dem Handelsimperium, zu dem neben dem Textildiscounter Kik und dem Baumarktriesen Obi auch Beteiligungen an Onlineunternehmen wie Zalando und Delivery Hero gehören, seinen Stempel auf.
Christian Haub, der jüngere Bruder des Verschwundenen, bemühte sich bereits in einem Brief an die Mitarbeiter, mögliche Befürchtungen über die Folgen des Dramas für Tengelmann zu zerstreuen: „Unser Familienunternehmen ist solide aufgestellt und verfügt über ein stabiles und erfahrenes Führungsteam, sowohl in der Holding, als auch in den Geschäftsfeldern.“ Es bestehe kein Anlass zur Sorge.
Karl-Erivan Haub war am 7. April von einem Skiausflug am Matterhorn nicht zurückgekehrt. Auch die Familie Haub hat inzwischen die Hoffnung aufgegeben, den vermissten Milliardär noch lebend zu finden. Die Suche nach Haub dauert jedoch an.
Für die Kunden von Kik, Obi und Co. wird Haubs Schickal keine spürbaren Auswirkungen haben. Denn die Firmen sind organisatorisch selbstständig und werden seit Jahren erfolgreich von familienfremden Managern geführt. „Das Tagesgeschäft läuft ganz normal weiter, weil wir eigenständig arbeiten“, heißt es etwa bei Kik.
Dennoch reißt das Verschwinden des Unternehmers eine Lücke. Vielleicht nicht im Tagesgeschäft, aber dort wo es um die langfristigen, strategischen Entscheidungen im Familienimperium geht. Haub habe „mehrere Unternehmen aufgebaut und immer ein Gespür für neue Trends und Themen bewiesen“, schrieben Kik-Chef Patrik Zahn und der langjährige Haub-Geschäftspartner Stefan Heinig am Wochenende in einem gemeinsamen Brief. Nicht zuletzt Haub war es zu verdanken, dass Tengelmann als eines der ersten deutschen Handelsunternehmen in großem Stil in Start-ups wie Zalando oder Delivery Hero investierte.
Im jüngsten Tengelmann-Geschäftsbericht schrieb Karl-Erivan Haub: Als er und sein Bruder Christian zur Jahrtausendwende die Geschäftsführung von ihrem Vater übernommen hätten, seien sie gezwungen gewesen, das Unternehmen „quasi neu zu erfinden“. Und der letzte Schritt in diesem Tranformationsprozess sei die Abgabe der Kaiser's Tengelmann-Supermärkte gewesen.
Doch zufriedengegeben hat er sich damit nicht. Tatsächlich sind bereits etliche Weichen für zukünftige Entwicklungen im Haub-Imperium gestellt. Der Textildiscounter Kik etwa will schon bald den Sprung nach Amerika wagen. Die familieneigene Immobilienfirma Trei beschränkt sich längt nicht mehr auf die Verwaltung von Handelsimmobilien, sondern versucht sich auch im Bau von Wohnanlagen. Und als Wagniskapitalgeber richtet das Unternehmen seine Fokus längst nicht mehr nur auf den Onlinehandel, sondern engagiert sich auch bei jungen Firmen, die den Finanzmarkt revolutionieren wollen.
Christian Haub kümmerte sich bislang vor allem um das US-Geschäft. Er lebe in den Vereinigten Staaten uns sei bisher „nur öffentlich aufgetreten, wenn es um die wohltätigen Aktivitäten der Familie“ ging, schreibt das „Handelsblatt“. Ob er künftig die Aufgaben seines Bruders übernehmen will, ist unbekannt. Das Unternehmen Tengelmann schweigt bislang zu Zukunftsplanungen.
Doch hat der 53-jährige Christian Haub im jüngsten Geschäftsbericht klargemacht, wie ernst er die Verantwortung für das Unternehmen nimmt. Dort schrieb er: „Meine Brüder und ich sehen uns heute als Treuhänder in einer Generationenkette, denen das Unternehmen für eine gewisse Zeit anvertraut wurde.“ Und er fügte hinzu: „Wir werden also die Unternehmensgruppe Tengelmann weiterentwickeln und uns nicht mit dem Erreichten zufriedengeben.“