Weltbank warnt vor zu viel Wachstum
Washington/Wiesbaden/Berlin (dpa) - Die globale Konjunktur nimmt immer stärker Fahrt auf, doch der Boom der Schwellenländer droht zum Problem für die ganze Welt zu werden.
Nach Einschätzung der Weltbank wächst die globale Wirtschaft in diesem Jahr um 3,2 Prozent. 2012 und 2013 sei sogar mit je 3,6 Prozent Wachstum zu rechnen, heißt es im jüngsten Bericht der Entwicklungshilfeorganisation. In den Boom-Regionen Asiens oder Lateinamerikas wächst die Wirtschaft schon fast zu schnell - eine mögliche Gefahr für die Weltkonjunktur.
Schwächer fällt das Wachstum der Eurozone aus. Deutschland bleibt Europas Konjunkturlokomotive - trotz eines leichten Dämpfers ist der Export auf Rekordkurs.
Deutschland exportierte im April Waren im Wert von 84,3 Milliarden Euro - nach der im Vormonat März erreichten historischen Bestmarke von 98,2 Milliarden Euro bedeutet dies kalender- und saisonbereinigt einen Rückgang um 5,5 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch in Wiesbaden mitteilte. An der glänzenden Wachstumsprognose ändere das aber nichts, beteuern Experten. Denn im Vergleich zum April 2010 legte der Export um 13,4 Prozent zu. Die bereinigten Warenwerte der Ausfuhren steigen seit Frühling 2009 kontinuierlich.
Commerzbank-Analystin Ulrike Rondorf sagte: „Es war absehbar, dass dieses Tempo nicht zu halten ist.“ Die Zahlen bestätigten, dass sich der Welthandel im zweiten Quartal weniger stark als zu Jahresbeginn entwickelte - was der deutsche Export direkt spüre. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) sagte, der deutsche Außenhandel bleibe erfolgreich. Jedoch erwartet auch Rösler, dass die Zuwächse künftig moderater ausfallen.
Die Eurozone sieht die Weltbank für die Jahre 2011 bis 2013 bei einem Wachstum von nur 1,7 bis 1,9 Prozent. Im ersten Quartal legte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Euro-Länder nach Angaben der europäischen Statistikbehörde Eurostat in Luxemburg im Vergleich zum Vorquartal um 0,8 Prozent zu. Im Jahresvergleich betrug das Wachstum 2,5 Prozent.
Den Aufschwung in den USA nannte US-Notenbankchef Ben Bernanke bislang „unausgewogen“ und, aus der Sicht von Millionen Arbeitslosen, „frustrierend langsam“. „Solange wir nicht eine anhaltende Periode stärkeren Jobwachstums sehen, können wir nicht annehmen, dass die Erholung wirklich Fuß gefasst hat“, betonte er. Allerdings erwarte er, dass die US-Konjunktur in der zweiten Jahreshälfte an Tempo gewinnt.
Ohnehin preschen die Schwellen- und Entwicklungsländer beim globalen Wachstum voran: Die Weltbank prognostiziert für sie ein jährliches Plus von 6,3 Prozent bis 2013, nachdem sie 2010 um satte 7,3 Prozent zugelegt hatten.
Für die reichen Länder rechnet die Organisation mit vergleichsweise mageren 2,2 Prozent in diesem Jahr, dafür 2012 und 2013 mit um die 2,6 Prozent. Auf den Industrienationen lasteten hohe Arbeitslosigkeit, enorme Schulden und aus dem Lot geratene Staatsfinanzen.
„In vielen aufstrebenden Nationen bewegt sich die Wirtschaft jenseits ihrer Kapazitäten und riskiert Überhitzung“, sagte Weltbank-Ökonom Hans Timmer. Das starke Wachstum habe zu neuen globalen Herausforderungen geführt, darunter höhere Rohstoffpreise und steigende Inflation. Bedrohlich sei auch ein neuer Ölpreisschock, sollte sich die Lage im Nahen Osten und in Nordafrika verschlimmern. Außerdem könnten neue Fehlernten die Preise für Nahrungsmittel weiter in die Höhe treiben - mit verheerenden Folgen für die Armen.
Die langfristigen Aussichten für aufsteigende Nationen bewertete der Hauptautor des Berichts, Andrew Burns, positiv. Diese Länder seien in den vergangenen zehn Jahren stark gewachsen: „Es gibt jeden Grund anzunehmen, dass sie dies fortsetzen.“ Aber: „Auf mittlere Sicht hängen ihre Aussichten von Sozial-, Regulierungs- und Infrastrukturreformen ab.“
Für Ostasien und die Pazifikregion erwartet die Weltbank bis 2013 ein Wachstum oberhalb von 8 Prozent, für Lateinamerika mehr als 4 Prozent. Südasien, darunter Indien, sieht die Organisation in diesem Zeitraum bei zwischen 7,5 und knapp 8 Prozent.