Wirtschaftsprobleme in China „größer als erwartet“

Peking (dpa) - Warnungen vor einer exzessiven Schuldenlast haben neue Sorgen über den Zustand der chinesischen Wirtschaft entfacht. China war im vergangenen Quartal mit 6,7 Prozent so langsam wie seit 25 Jahren nicht mehr gewachsen.

In einem in der Volkszeitung veröffentlichten Interview warnte eine „ranghohe Führungspersönlichkeit“, bei der es sich um einen Vertrauten von Chinas Staatschef Xi Jinping handeln dürfte, vor „größer als erwarteten Problemen“ und „neuen Herausforderungen“ für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt.

In dem Gespräch, dem das Parteiorgan den Titel widmete und eine ganze Seite einräumte, schließt die anonyme Quelle eine schnelle und starke Erholung aus. Vielmehr werde die Wirtschaft über Jahre auf einem „moderaten Level“ verharren. Vor allem die rasant steigende Verschuldung müsse schnell gebändigt werden.

In dem Text sahen einige Beobachter den Beginn einer möglichen Neuausrichtung der Wirtschaftspolitik des Landes, bei der die Regierung nicht mehr so stark mit geldpolitischen Eingriffen und neuen Schulden Unternehmen unter die Arme greifen will. Der Artikel könnte aber auch auf Differenzen in der Regierung hindeuten, weil die Äußerungen wie Kritik an der derzeitigen Linie des für die Wirtschaft zuständigen Regierungschefs Li Keqiang wirken.

China müsse mit der „Fantasie“ Schluss machen, dass sich die Wirtschaft mit einer lockeren Geldpolitik stimulieren lasse, sagte die „Führungspersönlichkeit“. Jede falsche Handhabung werde zu „systemischen Finanzrisiken und einem negativem Wirtschaftswachstum“ führen. „Das ist tödlich.“

Mehrere Indikatoren hatten allerdings zuletzt auf eine Stabilisierung der Wirtschaft hingedeutet: Der Einkaufsmanagerindex PMI zeigte eine Verbesserung der Stimmung in der Industrie auf, auch die vergangenes Jahr eingebrochenen Exporte zogen wieder an.

Analysten verwiesen jedoch immer wieder darauf, dass die derzeitige Erholung zu einem großen Teil auf neue Stimulus-Programme der Regierung zurückzuführen sei, die seit Beginn des Jahres noch einmal forciert wurden.

Chinas Verschuldung steigt bereit seit Jahren in einem besorgniserregenden Tempo: Seit 2007 haben sich die Verbindlichkeiten mehr als verdoppelt. Bedenklich sind dabei vor allem die hohen Schulden staatlicher Unternehmen, allen voran die zahllosen „Zombie-Fabriken“, die ein riesiges Heer von Arbeitern beschäftigen, aber kaum noch ausgelastet sind.

Peking hatte Anfang des Jahres angekündigt, Arbeitsplätze in den maroden Staatsunternehmen abbauen zu wollen. Experten halten das Vorgehen aber weiterhin für zu zögerlich.

Laut Schätzungen von Ökonomen dürfte Chinas Gesamtverschuldung bis 2019 auf einen Wert von 283 Prozent des Bruttoinlandsproduktes steigen. Chinas Banken müssen sich deshalb in den kommenden Jahren auf eine steigende Zahl von Kreditausfällen einstellen.

Die Inflation entwickelt sich indes stabil. Wie das Statistikamt in Peking mitteilte, stiegen die Verbraucherpreise im April erneut um 2,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Der Anstieg war vor allem von steigenden Preisen für Nahrungsmittel getrieben, die im Vergleich zum Vorjahr um 7,4 Prozent anzogen. Erneut bergab ging es dagegen mit den Erzeugerpreisen. Analysten gehen davon aus, dass die chinesische Zentralbank beim derzeitigen Inflationsniveau die Lockerung der Geldpolitik zurückhaltender angehen dürfte.