Zeitarbeiter immer häufiger auch im Chefsessel
Münster (dpa) - Zeitarbeit in der Chefetage boomt in Deutschland wie nie. Die Branche wird in diesem Jahr erstmals ein Milliardenmarkt sein. Selbst große Konzerne wie Siemens und MAN holen sich Topmanager auf Zeit ins Haus.
„Größter Bereich ist das Effizienz- Management. Das macht die Hälfte der Projekte aus“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Dachgesellschaft Deutsches Interim Management, Jens Christophers, der Nachrichtenagentur dpa in Münster. Solche Manager nehmen auf eine begrenzte Zeit hin den Posten einer Führungskraft ein. Die Summe der Honorare werde 2012 voraussichtlich bundesweit erstmals eine Milliarde Euro erreichen. Das Interim Management habe bis vor kurzem noch Imageprobleme gehabt. „Salonfähig ist es erst in den letzten fünf, maximal zehn Jahren geworden.“
Hintergrund des wachsenden Erfolges der Interim Manager seien ernüchternde Erfahrungen von Unternehmern mit Consultern. „Berater besitzen sehr gute analytische Fähigkeiten und bringen sehr ausgeprägte konzeptionelle Fähigkeiten mit, hinterlassen aber dann ein Konjunktivpapier: "Man müsste mal".“ Notwendiges werde dann oft nicht umgesetzt, weil Ressourcen oder Know-how für die Umsetzung fehlten. „Und der zweite Punkt: Berater neigen dazu, ambitionierte Ziele zu definieren, die dann aber nicht umsetzbar sind.“
Zeitarbeiter in der Chefetage dagegen begleiteten die Projekte bis zum Abschluss, erläuterte der 46-Jährige. „Wir übernehmen wirkliche Verantwortung und sogar Haftung durch die Übernahme organschaftlicher Positionen.“ Welche Aufgaben warteten, hänge von der Konjunktur ab. „In Krisenzeiten ist jedes zweite bis dritte Mandat ein Krisenfall.“ 2011 seien es dagegen nur 20 Prozent gewesen. Meist sei es um das Steigern von Effizienz gegangen, dazu gekommen seien begrenzte Projekte wie SAP-Einführungen und das Eingliedern neuer Tochterfirmen.
Früher sei Interim Management nur dazu genutzt worden, unerwartete Lücken zu füllen: „Krankheit, Tod, Freisetzung.“ Man habe damals die Stelle besetzt, bis man jemand anderen gefunden hatte. „Heute geht es vielmehr darum, dass man Personen ins Unternehmen holt, die eine fehlende Ressource auffüllen über eine Zeit.“ Auch große Konzerne wie Siemens und MAN setzten schon auf Interim Manager.
„Die Sozialkompetenz, Leute zu motivieren, und die Erfahrung der Führung“ seien unerlässliche Voraussetzungen für einen erfolgreichen Interim Chef. „Wir können im Endeffekt unsere Ziele nur erreichen, wenn wir die Menschen mitnehmen.“ Vor allem bei akuten Krise komme das zugute: „Wichtig sind Klarheit, Verbindlichkeit und Offenheit.“
Ein einzelner Interim Manager habe für gewöhnlich nur ein Mandat zur selben Zeit. „In der Regel dauert es 9 bis 15 Monate.“ 150 000 Euro aufwärts könne ein Interim Manager pro Jahr im Schnitt an Honorar verdienen. „70 Prozent sind Freelancer und verkaufen sich selbst“, der Rest läuft über Provider und Sozietäten. Über seine Arbeitgeberwechsel sagte Christophers: „Der Abschied fällt manchmal schwer. In vielen Unternehmen baut man soziale Kontakte auf.“