„Zeitloses Wunder“ Jagr: 41 Jahre alter Topscorer
New Jersey (dpa) - Schon vor 20 Jahren war Jaromir Jagr in der NHL ein Phanömen. Heute ist es der tschechische Eishockey-Weltstar umso mehr.
Mit seinen inzwischen 41 Jahren mag Jagr auf dem Eis wie ein Wesen aus einer anderen Zeit wirken, wenn es aber ums Toreschießen geht, macht dem Stürmer der New Jersey Devils nach wie vor keiner etwas vor. „Ich fühle mich großartig. Und so lange ich gesundbleibe, das garantiere ich, werde ich alles geben, um in jeden Spiel der Beste zu sein“, betont Jagr.
Der Tscheche spielt seine 20. NHL-Saison und führt bei den Devils mit elf Toren und 22 Punkten die internen Statistiken an. In der ewigen Torschützenliste der Liga steht der Kultstar aus Kladno mit 692 Treffern zusammen mit Steve Yzerman auf Platz acht - als bester Nicht-Kanadier überhaupt in der NHL-Historie. Und Jagr ist im Gegensatz zu den Legenden vor ihm immer noch aktiv.
Den vor ihm geführten Mark Messier (694) dürfte Jagr bald überholen und auch die 700-Tore-Schallmauer als siebter Spieler durchbrechen. Und hätte Jagr zwischen 2008 und 2011 nicht für Omsk in Russland gespielt, wäre er wohl schon längst unter den Top fünf, die vom uneinholbaren Wayne Gretzky (894 Tore) angeführt werden. Doch daran denkt Jagr gar nicht. „Wenn es mir um Statistiken gehen würde, wäre ich niemals nach Russland gegangen“, bekräftigte er.
Welch ein Phänomen er ist, wird gerade erst wieder deutlich. Im Frühjahr schien seine Zeit - mal wieder - vorbei. Mit den Boston Bruins wurde er an der Seite von Dennis Seidenberg zwar Vizemeister, schoss in 22 Playoff-Spielen jedoch keinen Treffer. Jagr wirkte ausgelaugt und langsam - weil er, für ihn ungewohnt, viel in der Defensive arbeiten musste. In New Jersey hingegen hat Jagr mehr Freiräume - und nutzt diese aus. Längst gilt er als „zeitloses Wunder“, wie es das Internetportal „New Jersey.com“ formulierte.
„Bislang zeigt er noch keine Anzeichen von Schwäche. Und das erstaunt mich - bei seinem Alter und den Kilometern, die er in seinem Körper hat“, schwärmt Trainer Peter DeBoer.
Dass Jagr immer noch mithalten kann und sogar besser ist als viele Mit- und Gegenspieler, liegt zum einen daran, dass er seinen Körper fitgehalten und sich zum anderen trotz seines Alters dem jeweiligen Spielstil immer angepasst hat. Die fehlende Spritzigkeit gleicht er mit einzigartiger Puck-Kontrolle aus. So gekonnt wie er schirmt kaum ein anderer in der Liga die Scheibe ab. „Wenn du älter bist, denkst du an alles. Wie kannst du dich verbessern, wie kannst du dich vorbereiten“, meinte Jagr: „Wenn du hingegen jünger bist, denkst du nicht an solche Sachen, denn du bist einfach besser.“
Jagr hat alles gewonnen, was es in seiner Sportart zu gewinnen gibt. Als einer der ganz wenigen Topstars seiner Sportart wurde er Weltmeister, Olympia- und Stanley-Cup-Sieger. Fast trotzig wehrt er sich Jagr dennoch gegen seine Eishockey-Rente. So wie früher in seiner Heimat, als er gegen das sozialistische System rebellierte, indem er ein Bild von US-Präsident Ronald Reagan im Schulheft führte und die Buchstaben AD für Alexander Dubcek, der Leitfigur des Prager Frühlings, in seinen Helm ritzte. Fragen nach seinem Karriere-Ende beantwortet er immer auf die gleiche Weise: Mit einem markanten Lächeln, einem Griff ans Kinn und einem diplomatischen „solange ich noch Spaß habe und mithalten kann, werde ich weitermachen.“
Wie ernst er es meint, verdeutlicht eine Anekdote aus dem Jahr 1995. Damals wurde in der NHL wegen eines Streits der Clubeigentümer mit der Spielergewerkschaft nicht gespielt. Weil Jagr aber unbedingt aufs Eis wollte, kam er über Kontakte nach Deutschland. Während viele seiner NHL-Kollegen in Europa Geld verdient, trat Jagr in der dritten deutschen Liga an. Für die Schalker Haie schoss er ein Tor und gab zehn Vorlagen - in einem Spiel. „Das einzige, was er haben wollte, war ein Jägerschnitzel mit Pommes und Majo“, erinnerte sich der frühere Schalker Clubpräsident Kay Fischbach einmal.