1902 bis 1906: Vom Wuppertaler Bauboom nach dem Kaiserbesuch
Das passierte von 1902 bis 1906 in den Wupperstädten.
Wuppertal. Acht Stunden spricht der Abgeordnete Otto Antrick (SPD) vor dem Reichstag in Berlin. Anlass für diese bis heute längste Rede in einem deutschen Parlament ist die geplante Erhöhung der Getreidesteuer, über die bis dato seit einem Jahr debattiert wird. Als am 14. Dezember 1902 endlich das Zolltarifgesetz verabschiedet wird, bahnen sich neue Ausgestaltungen von Handelsverträgen an, die Wuppertals Exporte oft genug negativ beeinflussen werden. Steigende Rohstoffpreise und die Abwanderung erster Textilunternehmen in Niedriglohngebiete setzen den Städten an der Wupper ebenso zu wie die Entscheidung der Firma Bayer, die Hauptproduktion aus dem zu eng gewordenen Tal der Wupper nach Leverkusen zu verlagern.
Dem Glanz des Kaiserbesuchs scheint der Katzenjammer zu folgen. Doch entgegen der heute geläufigen Darstellung, wonach Wuppertals Wirtschaft viel zu stark an die Textilindustrie gekoppelt war, ist es in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts gerade die Vielseitigkeit der Erzeugnisse, die sich bewährt. Wuppertal bleibt krisenfest.
Zu belegen ist das nicht zuletzt anhand der vielen Neubauten, die in Angriff genommen werden. Zwar hat man sich bei Großprojekten wie der Schwebebahn, dem Haus der Concordia, der Ruhmeshalle, dem Petruskrankenhaus, der Stadthalle auf dem Johannisberg oder dem Elberfelder Rathaus auf das symbolträchtige Jahr 1900 kapriziert. Doch der Bauboom hält nach dem Kaiserbesuch unvermindert an.
1902 wird das Städtische Museum im ehemaligen Elberfelder Rathaus am Turmhof eröffnet. 1903 ist der Ausbau der Elberfelder Kaiserstraße (heute Neumarktstraße) beendet. 1904 wird das alte Island samt seinen Spelunken abgerissen, um bis zum Frühsommer 1905 als Geschäftsviertel neu zu erstehen.
In Barmen erlebt das Publikum am 30. September 1905 die erste Aufführung im neuen Stadttheater, nachdem das alte Haus an der Fischertaler Straße im März 1902 niedergebrannt ist. Elberfeld feiert am 12. Dezember 1906 die Eröffnung des grandiosen Thalia-Theaters.
Im Taumel dieser Zeit gibt auch der General-Anzeiger seinen alten Sitz an der Obergrünewalder Straße auf, um am 11. Februar 1905 ein neues Verlagshaus an der Ecke Kaiser- und Kasinostraße einzuweihen. Der Umzug geht mit einer Reihe technischer Neuerungen einher, die ein schnelleres Arbeiten für höhere Auflagen ermöglichen. Allein die Umstellung vom Hand- auf den Maschinensatz zu Beginn des 20. Jahrhunderts hat enorme Bedeutung für das Tempo des Nachrichtenflusses.
Andere Zeitungen im Tal der Wupper können da nicht mehr mithalten. Erst recht können sie sich kein Redaktionsbüro in Berlin leisten, wie es der General-Anzeiger nun unterhält. Von der drahtlosen Telegraphie bis zum Bildfunk macht sich der Verlag die brandaktuellen Technologien zunutze. Bis ein zufriedenstellender Abdruck von Fotos auf dem Zeitungspapier möglich ist, werden allerdings noch ein paar Jahre vergehen.
“ Mehr zur Geschichte des Thalia-Theaters lesen Sie am kommenden Freitag in der Stadtteil-Zeitung.