Limousine bis Kombi 70 Jahre Unimog: Das Universalgenie fürs Grobe
Gaggenau (dpa/tmn) - Kein anderer Mercedes ist so vielseitig und so hart im Nehmen wie der Unimog. Und kaum einer hat so eine lange Tradition. Denn es ist jetzt genau 70 Jahre her, dass im Herbst 1946 die ersten Prototypen für das Universal-Motor-Gerät auf die Räder gestellt wurden.
Gedacht war der Unimog als eine Mischung aus Traktor und Lastwagen und wurde so zum Inbegriff des Ackerschleppers. Aber mit seiner rustikalen, unverwüstlichen Technik, den vielen Anschlussmöglichkeiten für Zusatzgeräte und der schier endlosen Traktion des zuschaltbaren Allradantriebs hat er es auch weit jenseits der Landwirtschaft zu Ruhm gebracht.
„Die Summe seiner Allrounder-Eigenschaften macht den Unimog zum unverzichtbaren Helfer - und zum sympathischen Helden“, sagt Carl-Heinz Vogler, der langjährige Chefredakteur der Fanzeitschrift „Unimog Heft’l“. Und für Daimler-Chef Dieter Zetsche schwärmt: „Der braucht keine Straße, sondern nur einen Auftrag.“
Seine Entstehung verdankt der Unimog nach den Berichten von Werks-Veteranen wie Hans-Jürgen Wischhof dem amerikanischen „Morgenthau-Plan“. Im Gegensatz zum „Marshall-Plan“ sah dieses Nachkriegsszenario vor, die zwar schwer angeschlagene aber hoch entwickelte Industrienation Deutschland zu zerschlagen und in ein fabrikloses Agrarland zu verwandeln.
Diese trüben Aussichten beflügelten den Erfindergeist von Albert Friedrich, der zum Kriegsende die Flugmotoren-Konstruktion von Daimler-Benz leitete und für seinen eigentlichen Job so schnell keine Zukunft mehr sah. Deshalb erstellte Friedrich zusammen mit seinem Kompagnon Heinrich Rößler im Spätsommer 1945 ein Lastenheft. „Wer sich für den Unimog entscheide, so die Idee der Planer, der könne im Ernstfall auf seinen Traktor, den Pritschenwagen und den Pkw verzichten“, so Wischhof.
Weil Daimler zu dieser Zeit vollauf damit beschäftigt war, in Untertürkheim die Pkw-Produktion wieder in Gang zu bringen, mussten sich Friedrich und Rößler nach anderen Partnern umsehen. Fündig wurden sie zunächst bei „Eberhard & Söhne“ in Schwäbisch Hall, wo schließlich im Herbst 1946 die ersten zehn Prototypen gebaut wurden. In der nächsten Phase wechselte das Projekt zu den Gebrüdern Boehringer nach Göppingen, wo Ende 1947 die Produktion ins Auge gefasst wurde. Die treibende Kraft jedoch sollte weiter aus Stuttgart kommen. Denn als Motor war ein Diesel von Daimler auserkoren.
Wo es heute Motoren mit mehr als fünf Litern Hubraum, bis zu 170 kW/231 PS, stattlichen 900 Nm und Getriebe mit nicht weniger als acht Vorwärtsgängen plus Untersetzung gibt, ging es damals noch vergleichsweise beschaulich zu: Unter der Stupsnase der ersten Modelle röchelten Vierzylinder-Diesel mit 1,7 Litern Hubraum, die es nach schier endlosem Vorglühen mit 18 kW/25 PS auf 50 km/h schafften - wenn der Fahrer in der engen Kabine mit den nicht synchronisierten Getrieben überhaupt einen der vier Gänge eingelegt bekam.
Die Reaktion bei der Publikumspremiere 1948 waren überwältigend und die Auftragsbücher prall gefüllt. Um die Nachfrage zügig befriedigen zu können, hätten in Göppingen über 40 Unimogs pro Monat montiert werden müssen. Doch die dafür nötigen 20 Millionen Mark konnte Boehringer nicht aufbringen. Deshalb meldete sich Daimler wieder zu Wort. Und statt längerfristiger Lieferverträge für die Motoren stand am Ende eine komplette Übernahme.
Irgendwann war die Modellpalette aber so verästelt, die Produktion so aufwendig und die Konstruktion so weit weg von allen anderen Nutzfahrzeugen bei Mercedes, dass die Sparte nur haarscharf der Pleite entging. Deshalb stellte Mercedes die Produktion in Gaggenau 2002 ein, holte sie ins Lkw-Werk nach Wörth, vereinfachte und vereinheitlichte die Konstruktion, straffte die Palette und bekam so die Kurve.
Um den kantigen Klassiker hat sich eine rege Oldie-Szene entwickelt, sagt Michael Wessel, der 1993 in Gaggenau den Unimog Club gegründet hat. Für gute, alltagstaugliche Fahrzeuge ohne Reparaturstau ist man schon mit weniger als 20 000 Euro dabei, taxiert er den Markt. Viele Sammler nutzen den Unimog zum Holzholen, für die Arbeit auf dem Bau oder in der Landwirtschaft, sagt Wessel. Sonntagsfahrer, die damit lustwandelnd durch die Landschaft gondeln, sind unter den Liebhabern eher selten. „Auch als Oldtimer bleibt der Unimog ein Nutzfahrzeug“, sagt Wessel. Einmal Arbeiter, immer Arbeiter eben.