Absatzkrise drückt Autopreise - Sorge bei Händlern

Berlin (dpa) - Wer jetzt ein Auto kauft, kann ein Schnäppchen machen. Doch viele Deutsche wollen ihren alten Wagen lieber noch eine Weile fahren. In der Branche stecken das nicht alle gut weg.

Auf diese Misere kann sich auch der Cheflobbyist der deutschen Autobauer keinen rechten Reim machen: Obwohl es den Deutschen wirtschaftlich gut geht wie lange nicht, kaufen sie weniger Autos. Händler müssen sich mit Rabatten überbieten, und selbst die Gebrauchtwagenhöfe sind randvoll. „Eine überzeugende Erklärung ist nur schwer zu finden“, sagt Matthias Wissmann. 8,7 Jahre hat das Durchschnittsauto auf deutschen Straßen schon auf dem Buckel, zwei Jahre mehr als etwa vor zwanzig Jahren.

Die Eurokrise hat die Deutschen erreicht - zumindest mental, wie Wissmann spekuliert. Die Kunden seien verunsichert, auch Unternehmen hielten sich mit Anschaffungen zurück. Tatsächlich hält sich die Absatzkrise schon so lang wie die Turbulenzen im Euroraum. In Westeuropa wird in diesem Jahr das vierte Minus-Jahr in Folge erwartet. Darunter leiden nicht so sehr die großen Hersteller, wohl aber die Zulieferer und Händler.

„Sie sind stärker auf den europäischen Markt ausgerichtet“, sagt Wissmann und spricht von hoher Anspannung in den mittelständischen, oft familiengeführten Zuliefer-Betrieben. Verglichen mit der Zeit bis 2007 fehlen auf dem westeuropäischen Markt drei Millionen Verkäufe, soviel wie der gesamte deutsche Markt. Dieser war im ersten Halbjahr um 8,1 Prozent geschrumpft.

Die Konzernvorstände können sich unterdessen trösten: Was in Europa verloren geht, holen die Autobauer in Ländern wie China und den USA wieder raus. Das erklärt auch, dass Wissmann vehement davor warnt, wegen des Abhörskandals der US-Geheimdienste am geplanten Freihandel mit den USA zu rütteln: Das große Ziel solle die EU nicht wegen kurzfristiger Verärgerung opfern.

„Unsere Abhängigkeit vom EU-Markt ist deutlich geringer geworden“, betont der frühere Verkehrsminister. Für die 750 000 Beschäftigten in den Stammbelegschaften ist das nicht unbedingt eine gute Nachricht. Die Zahl soll übers Jahr zwar konstant bleiben. Wissmann sagt aber auch: „Der Trend zur Vor-Ort-Fertigung hält weiter an.“

Knapp zwei von drei Autos bauen die deutschen Konzerne inzwischen im Ausland, hierzulande geht die Produktion leicht zurück. „Wir haben kein Interesse an großen Halden“, sagt Wissmann. „Wir wissen: Wenn wir mehr produzieren als wir verkaufen können, macht das unser Preisniveau kaputt.“

Anzeichen dafür gibt es schon. Händler in Deutschland überbieten sich mit Nachlässen und Null-Prozent-Finanzierungen, auch die Tageszulassungen sind auf hohem Niveau. Damit geben die Händler Neuwagen durchschnittlich ein Achtel billiger ab, wie Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg-Essen errechnet hat. Er sieht den Rabattwettbewerb auf dem Höhepunkt.

Jeder dritte Händler geht nach einer Umfrage des Zentralverbands Deutsches Kfz-Gewerbe davon aus, dass er in den nächsten Monaten noch weniger verkauft. Bei Neuwagen gehe es Autohäusern vielfach nicht mehr um Gewinne, sondern darum, Marktanteile zu verteidigen und sich das Reparaturgeschäft zu sichern, meint Peter Fuß, Autofachmann der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY.

Auch bei Gebrauchten geben die Preise nach. Im Mai waren es im Schnitt fast 200 Euro weniger als ein Jahr zuvor, wie aus Daten von AutoScout 24 hervorgeht. Gerade bei hochpreisigen Oberklasse- und Geländewagen hielten sich die Käufer zurück.

Dass das Auto an sich in Europa an Popularität eingebüßt haben könnte, hält der VDA indes nicht für möglich. „Die rund drei Millionen Neuwagenkäufer, die heute fehlen, sind nicht etwa alle auf die S-Bahn umgestiegen oder nutzen nur noch Carsharing-Angebote“, sagt Wissmann. Sie würden wieder Autos kaufen, wenn die Schuldenkrise erst überstanden sei. „Die Frage ist, wann eine Erholung kommt.“