Auto zieht mit um - Nummernschilder dürfen bleiben
Berlin (dpa) - Weniger Bürokratie wagen - das steht eigentlich hinter der neuen Regelung, bei Umzügen das Autokennzeichen behalten zu dürfen. Doch für manchen Fahrer dürften noch andere Motive eine Rolle spielen.
Früher war alles so einfach. Ein Auto aus Bad Oldesloe in Schleswig-Holstein war ein echter „OD“, ein oller Dussel, das Fahrzeug aus dem niedersächsischen Winsen an der Luhe ein „WL“ - ein wilder Landwirt. Ab dem 1. Januar aber kann der Landwirt aus dem Norden auch ein Münchner Fahrer sein. Dann dürfen Autokennzeichen bei einem Umzug bundesweit mitgenommen werden - ein neues Nummernschild ist nicht mehr nötig.
„Bürokratie wird abgebaut“, hatte der damalige Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) die Reform 2013 gelobt. Einige Bundesländer hatten dies schon zuvor ermöglicht, Schleswig-Holstein etwa oder Nordrhein-Westfalen. Bei der Zulassungsstelle in Kiel haben in diesem Jahr gut 6600 Kieler Kennzeichen die Stadt verlassen, knapp 3300 fremde Kennzeichen kamen nach Kiel.
Die Verkehrsministerkonferenz der Länder hatte sich laut Bundesverkehrsministerium schon im April 2012 für den Verzicht auf die Umkennzeichnung ausgesprochen: „Die Erfahrungen mit diesen Ausnahmeregelungen waren positiv. Deshalb wurde die Regelung bundesweit eingeführt.“ Ein zusätzlicher Antrag sei für die Mitnahme nicht nötig. Der Wohnsitzwechsel müsse aber weiter mitgeteilt werden.
„Das ist eine Frage des Geldbeutels“, sagt ADAC-Jurist Jost Kärger. „Man spart Kosten, muss nicht ein neues Kennzeichen prägen lassen.“ Zeitersparnis, Kostenersparnis - das sind auch für Herbert Engelmohr, Jurist beim Automobilclub von Deutschland (AvD), die Vorteile der Reform. „Der Preis für neue Schilder fällt weg.“ Allerdings werde man auch beobachten müssen, ob man die Halterdaten noch aktuell halten kann, wenn eine Ummeldung nicht mehr erforderlich ist.
Andere mögliche Nachteile sieht Arnold Plickert, stellvertretender Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Ein Auto etwa, das in München mit einem Kennzeichen aus Herne (Nordrhein-Westfalen) verkehrsbehindernd parke, werde vielleicht rascher abgeschleppt, weil jeder denke, „bis wir das raushaben, wie wir den erreichen können“. Bei einem Halter aus München dagegen werde eher versucht, ihn zu erreichen. Und ein Fahrer im ländlichen Raum mit einem fremden Kennzeichen mache sich vielleicht schneller mal verdächtig, ein potenzieller Einbrecher zu sein.
Für seine Kollegen bedeute die Neuregelung einen Umdenkprozess. „Das ist schon ein Paradigmenwechsel. Man kann nicht mehr unterstellen, dass der Wohnort identisch ist mit dem Kennzeichen-Ort.“ In Nordrhein-Westfalen, wo die Regelung schon länger gilt, habe es keine Probleme gegeben - aber hier seien Autos aus anderen Städten des Bundeslandes auch keine Seltenheit. Letztlich, findet Plickert, seien erst mal die nächsten Monate abzuwarten.
Auch einen psychologischen Effekt gibt es: Das Auto sei für einige identitätsstiftend, sagt ADAC-Verkehrspsychologe Ulrich Chiellino. „My car is my castle, mein rollendes Wohnzimmer“ - das wollten viele mit der Heimat-Buchstabenkombination unterstreichen. Wenn jemand aus der bayerischen Provinz bei einem Umzug in die Millionenstadt Berlin sein Kennzeichen mitnehme, dann sei das ein Teil seiner Identität. „Andere freuen sich vielleicht, ein Kennzeichen mit einem schlechten Image loszuwerden, das sich über Generationen hinweg etabliert hat“ - zum Beispiel den „ollen Dussel“.