Durchfall rechtfertigt Geschwindigkeitsüberschreitung
Berlin. Geschwindigkeitsüberschreitungen gehören zu den häufigsten Vergehen im Straßenverkehr. In manchen Situationen kann die Strafe für Schnellfahrer jedoch entfallen. "Die Übertretung des Tempolimits ist legal, sobald ein rechtfertigender Notstand gemäß § 16 OWiG vorliegt", erklärt Rechtsanwalt Mathias Voigt, Vorsitzender des Verbands für bürgernahe Verkehrspolitik e.V.
Solch ein Notstand ist zum Beispiel gegeben, wenn eine Person in Lebensgefahr schwebt - oder bei einem Autofahrer während der Fahrt plötzlich Durchfall auftritt. Denn bei unerwartet auftretendem akutem Stuhldrang ist es möglich, nicht wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung belangt zu werden, wenn diese nötig war, um dem Durchfall Abhilfe zu schaffen. Hierbei handelt es sich jedoch immer nur um eine Einzelfallentscheidung.
Bekommen Autofahrer auf der Autobahn plötzlich Durchfall, sollten sie zügig die nächste Ausfahrt oder den nächsten Rastplatz ansteuern. Auf dieser Strecke dürfen sie das Tempolimit dennoch nicht so stark überschreiten, dass die Sicherheit des Straßenverkehrs gefährdet wird. Wenn die Autobahn einen Seitenstreifen besitzt, müssen Autofahrer zudem dort anhalten, um ihre Notdurft direkt hinter ihrem Fahrzeug zu verrichten.
Sollten Fahrer vor Fahrtantritt jedoch wissen, dass sie an einer Durchfallerkrankung leiden, rechtfertigt der während der Fahrt auftretende Druck im Darmbereich eine Geschwindigkeitsüberschreitung nicht. So entschied das Amtsgericht Lüdinghausen, dass Autofahrer in solch einer Situation gar nicht erst losfahren dürften oder den Fahrweg so planen müssten, dass sie stets anhalten könnten.
Liegen Frauen in den Wehen, muss es häufig schnell gehen. Die erlaubte Geschwindigkeit auf dem Weg zum Krankenhaus zu überschreiten, ist jedoch nicht immer ratsam. "Nur wenn ein Notstand gegeben ist, kann auch eine Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit erlaubt sein", so Mathias Voigt. Da für Schwangere in den Wehen in der Regel keine Gefahr für Leib und Leben besteht, liegt auch kein rechtfertigender Notstand laut § 16 OWiG vor. Fahren werdende Eltern auf der Fahrt ins Krankenhaus daher zu schnell, müssen sie die Konsequenzen der Geschwindigkeitsüberschreitung in Kauf nehmen.
Anders als bei Menschen ist der Notstandsparagraph bei Tieren häufig kein Rechtfertigungsgrund für eine Geschwindigkeitsüberschreitung. So haben bereits mehrere Gerichte entschieden, dass die Sicherheit des Straßenverkehrs wichtiger ist als das Leben oder die Gesundheit eines Tieres.
Wer also sein krankes Tier schnellstmöglich zum Tierarzt bringen möchte, muss sich an die Verkehrsregeln halten - auch wenn das Tier während der Fahrt sterben könnte. Fahren Autofahrer in dieser Situation zu schnell, besteht meist lediglich die Möglichkeit, Bußgeld, Punkte und Fahrverbot zu reduzieren. Gänzlich umgehen können Verkehrsteilnehmer die Strafe aber in der Regel nicht. Die Entscheidung darüber liegt allerdings immer im Ermessensspielraum der Richter.
Unter welchen weiteren Umständen ein Verkehrsverstoß noch erlaubt oder verboten ist, erfahren Interessierte auf www.bussgeldkatalog.org/urteile.