Für Verkehrssünder in Europa soll die Luft dünner werden
Berlin/Brüssel (dpa) - Wenn sich Autofahrer in EU-Ländern nicht an die Regeln halten, sollen Strafmandate auch über die Grenzen hinweg greifen. Im Prinzip ist das schon möglich - die Regelung soll nun aber schärfere Zähne bekommen.
Manche Autofahrer setzen auf das Prinzip Hoffnung, wenn sie im Ausland bei Rot über eine Ampel rauschen oder in einer Tempokontrolle geblitzt werden: Erstmal abwarten, ob ein Bußgeld den Weg über die bürokratischen Grenzen schafft. Um schwere Verstöße tatsächlich ahnden zu können, soll der Datenaustausch in der EU besser werden. Mit einem Gesetzentwurf, der am Freitag (22. März) in den Bundesrat kam, bringt Deutschland jetzt die nationale Umsetzung in Gang. Die Luft für Verkehrssünder soll bald dünner werden.
Was verspricht sich die EU vom Datenaustausch?
Eine grenzüberschreitende Verfolgung hat abschreckende Wirkung. „Wir wissen, dass die Wahrscheinlichkeit eines Vergehens für einen auswärtigen Fahrer dreimal so hoch ist wie für einen einheimischen“, sagte EU-Verkehrskommissar Siim Kallas kürzlich. Und fügte hinzu: „Viele scheinen immer noch zu denken, dass die Regeln für sie nicht mehr gelten, wenn sie im Ausland sind. Meine Nachricht ist, dass sie gelten und dass wir sie jetzt anwenden werden.“ Bis zum Stichtag 7. November muss das EU-Gesetz in den Mitgliedstaaten in Kraft sein.
Welche Daten sollen ausgetauscht werden?
In Deutschland wird das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg zur „nationalen Kontaktstelle“. Dort sollen ausländische Behörden Daten elektronisch abfragen können: Kennzeichen und Marke des Wagens sowie Name, Adresse und Geburtsdatum des Halters. Damit können sie dann ein „Informationsschreiben“ an den Autobesitzer schicken, das den Verstoß samt der näheren Umstände nennt und die Geldbuße einfordert. Verfasst sein darf der Brief nicht einfach in Landessprache. Vorgeschrieben ist „die Sprache des Zulassungsdokuments des Kraftfahrzeugs“ - also bei Fahrzeughaltern in Deutschland ein Brief auf Deutsch.
Um welche Verstöße geht es überhaupt?
Ins Visier genommen werden sollen acht Delikte, bei denen es um Sicherheit geht. Darunter sind Tempoverstöße, Fahren ohne Gurt oder Schutzhelm, das Überfahren roter Ampeln sowie Alkohol, Drogen und Handy am Steuer - aber beispielsweise nicht falsches Parken. Dabei soll der Datenaustausch dafür sorgen, dass die seit 2010 im Prinzip möglichen „EU-Knöllchen“ mehr Durchschlagskraft bekommen. Unter Experten gibt es aber Zweifel, ob etwa Alkohol am Steuer nachträglich ohne klare Beweise wie eine direkte Blutprobe vor Ort zu ahnden ist.
Soll nun der Halter oder der Fahrer belangt werden?
Im Bundesverkehrsministerium heißt es: „Deutschland unterstützt die "EU-Knöllchen".“ Jedoch pochte Berlin darauf, dass Halterdaten allein dazu benutzt werden, den Verantwortlichen am Steuer zu ermitteln. „Nur der Fahrer, der die Verkehrsverstöße im Ausland tatsächlich begangen hat, soll zur Rechenschaft gezogen werden“, sagt ein Sprecher. Nach dem Grundsatz „Keine Strafe ohne Schuld“ sei der Halter nicht für Taten anderer zu bestrafen.
Wie geht es weiter?
Neben dem Bundesrat befasst sich auch der Bundestag noch mit den Plänen. Dabei geht es umgekehrt auch darum, dass deutsche Behörden Verkehrssünder im Ausland ausfindig machen können. Nicht ganz klar ist jedoch, welchen Aufwand dies für die 1267 Bußgeldbehörden quer durch die Republik bedeuten könnte. Genaue Zahlen, wie viele Delikte hierzulande auf das Konto von EU-Ausländern gehen, gibt es nicht. Die Experten des Bundesverkehrsministeriums gehen nach Erfahrungen aus Thüringen davon aus, dass sie für etwa 20 Prozent der Tempoverstöße verantwortlich sind. Das wäre etwa zehnmal mehr als bisher geahndet wird - denn noch werden Delikte nur in einigen Staaten weiterverfolgt.