Großraumlimousinen bekommen Frischzellenkur
Frankfurt/Main (dpa/tmn) - Sie sind schön geräumig, aber so attraktiv wie ein Strickpullunder - und bei Kunden entsprechend unbeliebt: Großraumlimousinen gehören zu den großen Verlieren auf dem Automarkt.
Deshalb begeben sich viele Hersteller mit ihren Vans auf neue Wege.
Der Van ist tot, es lebe der Van: Glaubt man Laurens van den Acker, gibt es derzeit für Ingenieure und Designer im Autobau kaum ein schwierigeres Fahrzeugkonzept als die Großraumlimousine. „Denn auf der einen Seite verlangen die Kunden nach wie vor Platz, Variabilität und eine hohe Sitzposition“, sagt der Renault-Designchef. „Aber auf der anderen Seite ist ihnen der klassische Van einfach zu langweilig geworden.“ Je größer diese Autos seien, desto stärker schrumpften auch Zulassungszahlen und Marktanteile, hat er beobachtet - und steuert dem jetzt entgegen.
Nächstes Jahr soll die Neuauflage des Renault Espace kommen. Und wenn sie dann nur halbwegs an die auf der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt (12. bis 22. September) präsentierte Studie Initiale Paris angelehnt ist, nimmt der Urvater der europäischen Vans Abschied vom bekannten Konzept der Raumfahrer.
„Wir wollten zwar auf jeden Fall einen neuen Espace, der für uns auch die Rolle des Flaggschiffs an der Grenze zur Oberklasse spielt“, sagt van den Acker. Aber als klassische Großraumlimousine hatte der Van keine Zukunft. „Deshalb haben wir uns aus der Welt der Geländewagen inspirieren lassen und machen aus dem Espace ein Crossover-Modell“, erklärt er. Das zeigt sich etwa durch die üppige Bodenfreiheit, die großen Räder und die stark betonten Radläufe des 4,85 Meter langen Konzeptfahrzeugs.
Dass diese Strategie erfolgreich sein kann, haben die Franzosen bereits zwei Fahrzeugklassen unterhalb des Espace mit dem Captur bewiesen. Wo sich zuvor die kleine Großraumlimousine Modus eher mäßig verkaufte, kommt der handliche Möchtegern-Geländewagen laut Renault bei der Kundschaft gut an.
Aber nicht nur Renault ist auf der Suche nach neuen Wegen für den Van. Bei VW zum Beispiel arbeitet man nach Angaben von Konzern-Entwicklungskoordinator Ulrich Hackenberg auch deshalb an einem großen Geländewagen im Preisfeld zwischen Tiguan und Touareg, weil der bei den in Amerika sogenannten Soccermums mittlerweile besser ankommt als eine Großraumlimousine. Und diese Mütter, die oft die halbe Nachbarschaft zum Fußballtraining fahren, zählen jenseits wie diesseits des Atlantiks zur wichtigsten Zielgruppe für solche Autos.
Am anderen Ende des Portfolios kontert Kia kleine klassische Vans wie den Nissan Note oder den Honda Jazz mit dem Soul: Der will eher eine coole Kiste mit Ecken und Kanten als eine Familienkutsche sein.
BMW arbeitet an einem ähnlich wie die Mercedes B-Klasse gestrickten Hochdachmodell, das die Bayern Active Tourer nennen. Die Plattform mit Frontantrieb ist ganz neu. Ein gutes halbes Jahr vor dem avisierten Verkaufsstart hat BMW die Studie für die IAA noch einmal etwas hipper verpackt und sie mit hochwertigen Rennrädern und anderem Freizeitgerät so vollgepackt, dass man partout nicht mehr an Babyschalen auf der Rückbank und Windelkartons im Kofferraum denken mag.
Auch bei der Studie für den neuen Ford S-Max geht es erst an letzter Stelle um maximale Raumausnutzung und pure Funktionalität. Im Vordergrund stehen bei diesem Auto das nachgeschärfte Design und die nächste Generation von vernetzten Infotainment-Systemen. Einziges klassisches Großraumlimousinen-Feature sind die variablen Sitze, mit denen man wahlweise die Freiheiten für Knie und Schultern oder das Ladevolumen anpassen kann - und zwar diesmal genau wie beim Espace ohne nennenswerte Umbauten.
Aber nicht alle Hersteller tun sich schwer mit der Idee vom Van im klassischen Sinne. Fiat zum Beispiel hat für den Messeauftritt in Frankfurt die Langversion des Cinquecento noch einmal um etwa 20 Zentimeter gestreckt und als 500L Living zum kleinsten Siebensitzer der Welt gemacht. Bei Mercedes hält sich hartnäckig das bis dato nicht bestätigte Gerücht von einer XL-Version der B-Klasse, die ebenfalls eine dritte Sitzreihe bekommen soll. Und während Renault & Co. nach neuen Wegen für den Van suchen und die Macher den Trend zum Crossover beschwören, geht VW auf der IAA genau den umgekehrten Weg.
Weil dem Wolfsburger Autobauer der Golf Plus zu verstaubt war und ein Rentner-Image hatte, haben sie die neue Hochdachversion des kompakten Bestsellers nicht nur schnittiger gezeichnet und sportlicher abgestimmt, sondern auch neu benannt: Jetzt dreht sich der Raumkreuzer auf der Frankfurter Automesse als Sportsvan im Rampenlicht. Weil das laut VW irgendwie dynamischer klingt.