Hightech gegen Langeweile - Unterhaltung für Mitfahrer
Detroit/München (dpa/tmn) - Auf jedem längeren Flug gibt es Kinofilme zu sehen. Doch im Auto müssen sich bislang die Eltern darum kümmern, dass es den Kindern nicht langweilig wird. Doch jetzt rüsten sich Hersteller mit Hightech gegen die Langeweile an Bord.
„Wie lange noch?“ Wenn diese Frage vom Rücksitz kommt, wissen autofahrende Eltern, dass sie sich bald etwas einfallen lassen sollten. Denn je gequälter der Nachwuchs diese Worte dehnt, desto größer ist die Langeweile auf der Rückbank. Bislang hilft dagegen in der Regel nur eine ausgedehnte Pause, die Lieblings-CD oder auch manches Ratespiel. Doch bald gibt es dazu Hightech-Alternativen seitens der Hersteller.
Dass sie in diesem Bereich aktiv sind, belegt das Forschungsprojekt „Windows of Opportunity“. Vorgestellt hat es vor ein paar Wochen General Motors gemeinsam mit Studenten der israelischen Kunst- und Designakademie Bezalel. Ihre Idee: Die Seitenscheiben im Fond sollen zu berührungsempfindlichen Bildschirmen werden und für Unterhaltung sorgen. Mit passenden Apps, also kleinen Softwareprogrammen, verwandeln sich die Fenster zum Beispiel in Tafeln, auf denen man mit den Fingern malen kann. Alternativ können sie auch zur Leinwand werden, über die eine virtuelle Mücke fliegt, die Besonderheiten der Umgebung erläutert. Oder sie dienen als elektronische Pinnwand - dann können mit dem Staunachbarn Kurznachrichten ausgetauscht werden.
„Windows of Opportunity“ ist nach Angaben von Projektleiter Tom Seder nur ein Forschungsprojekt, die Serienchancen stehen in den Sternen. Serienreif dagegen sind bereits mobile Hotspots, wie sie etwa Audi oder BMW anbieten. Sie nutzen die Antennentechnik des Fahrzeugs und stellen über das Mobiltelefon eine WLAN-Internetverbindung her. Daran angeschlossen werden könnten bis zu acht Endgeräte, erläutert Audi-Sprecher Josef Schloßmacher. Während Papi zwischendurch auf seine E-Mails schielt, surft der Nachwuchs auf der Rückbank mit Tablet-PC oder Laptop durchs Internet. Oder sitzt ebenfalls am Steuer, wenn auch nur in einem Autorennen-Spiel.
Die Mitfahrenden im Fond stehen im Fokus der neuen Bemühungen, doch auch an den Beifahrer denken die Entwickler. Schon jetzt gibt es in Modellen wie der Mercedes S-Klasse, dem Jaguar XJ oder dem Range Rover einen sogenannten Dual-View-Monitor in der Mittelkonsole. Nach dem gleichen Prinzip wie bei den Wackelbildern in Kinderbüchern sind auf ihnen aus unterschiedlichen Perspektiven zwei unterschiedliche Bilder zu sehen. Während das Display für den Fahrer zum Beispiel die Navigationskarte anzeigt, könne der Beifahrer auf dem gleichen Bildschirm eine DVD anschauen, erläutert Mercedes-Sprecher Michael Allner. Und damit das Radioprogramm nicht gestört wird, kommt der Ton zum Film per Infrarot über kabellose Kopfhörer.
Audi-Entwickler Werner Hamberger ist das noch nicht genug. Er arbeitet deshalb an einem zweiten Head-up-Display, das explizit auf den Beifahrer zugeschnitten ist. So, wie die Projektionstechnik dem Fahrer Navigationshinweise oder Tachodaten ins Blickfeld spiegelt, könnte der Sozius die Frontscheibe als eine Art Bildschirm für das Surfen im Internet oder als Leinwand für das Bordkino nutzen. Weil das System in der Vision von Entwickler Hamberger zudem mit Gesten gesteuert werden kann, genügt eine Handbewegung, um die Bilder vom Beifahrer auf das Display der Fahrerseite zu schieben.
Entwicklungen wie diese würden den Autofahrern künftig noch häufiger begegnen, ist Jan Burgard überzeugt. Er ist Partner bei der Münchner Strategieberatung Berylls Strategy Advisors und sieht eine wachsende Bedeutung für das Entertainment im Auto.
„Allerdings müssen sich die Automobilhersteller etwas einfallen lassen um mit der Elektronikindustrie mitzuhalten, sonst wird das Geschäft vollends an ihnen vorbeigehen“, ist Burgard überzeugt. „Dann nehmen die Passagiere auch im Auto nur noch ihr Laptop, das Mobiltelefon oder ihren Tablet-Computer.“ Diese Entwicklung zeichne sich bereits heute ab. Sogenannte Rearseat-Entertainment-Systeme, wie die Branche die Videomonitore für den Fond nennt, würden nur von weniger als zwei Prozent der Kunden bestellt. Lediglich in großen Limousinen und luxuriösen SUV erreiche die Quote zweistellige Werte.
Weil der Entscheider über den Kauf am Ende meist doch hinter dem Lenkrad sitzt, sparen die Entwickler den Fahrer beim Ausbau des Unterhaltungsprogramms nicht aus. Dies illustriert etwa das BMW-Forschungsprojekt „Micro Pause App“, das die Rotphasen der Ampeln für kurzweilige Zerstreuung nutzt.
Sobald der Wagen steht, verschwindet dabei automatisch die Tachoanzeige und macht Platz für E-Mails oder Facebook-Kontakte. Sogar „Pacman“ könne man mithilfe der Lenkradtasten im Cockpit spielen, sagt Projektleiter Marc Bechler. Die Gefahr, dabei die Welt draußen völlig zu vergessen, bestehe nicht: Weil die Elektronik die Ampel beobachte, blende sie Spiele und Mails aus, bevor es wieder grün wird.