Kraftmeierei und schräge Gänge sind die Feinde der Fahrradkette
Berlin/Aurich (dpa/tmn) - Läuft die Kette kaum vernehmbar über die Ritzel, verschwenden die meisten Radfahrer keinen Gedanken an sie. Erst wenn es im Antrieb kracht und die Kette auf den Zähnen hüpft, werden sie aufmerksam.
Zu spät. Denn nun wird die Reparatur teurer.
Jeder Tritt in die Pedale ist eine Belastungsprobe für die Fahrradkette. Damit sie der hohen Beanspruchung möglichst lange standhält, braucht es mehr als gewissenhafte Pflege: Nicht zuletzt entscheidet auch der Fahrstil des Radlers darüber, wie schnell der Antrieb verschleißt.
Drei Dinge setzen der Kette zu: Umwelteinflüsse, übertrieben kräftiges Treten und bei Kettenschaltungen eine ungünstige Gangwahl. Wobei die beiden letztgenannten Punkte laut Albert Herresthal, Vorsitzender des gemeinnützigen Wirtschaftsverbands Verbund Service und Fahrrad (VSF), die größten Verschleißfaktoren sind.
Herresthal empfiehlt deshalb, lieber mit etwas höherer Trittfrequenz in kleineren Gängen zu radeln als schwer und mit viel Kraft zu treten. Dann wird die Kette nicht unnötig strapaziert. Und wenn das Fahrrad eine Kettenschaltung hat, sollten Radler nicht unter Volllast schalten und bei der Gangwahl darauf achten, dass die Kettenlinie zwischen den Kettenblättern an der Tretkurbel und den Ritzeln an der Hinterachse immer möglichst gerade verläuft.
Etwas Pflege verlängert ein Kettenleben ebenfalls. „Vor allem freiliegende Kettenschaltungen sollte man gelegentlich mit einem Lappen von grobem Schmutz befreien und dann neu ölen“, rät René Filippek vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC). „Wie oft, das hängt vom Wetter und der Nutzung ab.“ Eine Fahrradkette sollte keine Geräusche machen, sonst ist die nächste Schmierung längst überfällig.
„Dazu träufelt man zähflüssiges Kettenöl am besten von oben auf die gesäuberten Walzen und Innenlaschen der unteren Kette“, erklärt Gunnar Fehlau, Buchautor und Chef des branchennahen Pressediensts Fahrrad (pd-f). Das sei die effektivste Methode. Einwirken lassen, dann das überschüssige Öl abwischen, fertig. „Sehr flüchtiges Kriechöl gehört nicht auf den Fahrradantrieb, weil es dort nicht lange bleibt.“
Trotz guter Pflege und Behandlung lässt sich der Verschleiß nur verlangsamen, aber nie ganz aufhalten. „Ketten verschleißen dadurch, dass sie sich längen. Dann passen die Kettenglieder nicht mehr exakt auf die Zahnräder“, erläutert Herresthal. Wie sich das bemerkbar macht? „Im schlimmsten Fall funktioniert die Schaltung nicht mehr richtig, die Kette springt auf den Ritzeln herum oder rutscht bei kräftigem Treten über die Zähne“, sagt Filippek. Bei Rädern mit Naben- oder ohne Gangschaltung kann sie auch abspringen.
Soweit sollte es aber kein Fahrradbesitzer kommen lassen. Denn dann hat die gelängte Kette meist schon die Zahnräder beschädigt - und die Reparatur wird viel teurer.
ADFC-Experte Filippek rechnet vor: Für um die 15 Euro bekomme man schon sehr gute Ketten. Anders sieht die Sache aus, wenn Kettenblätter und Ritzel in Mitleidenschaft gezogen wurden und ebenfalls ausgetauscht werden müssen: „Ritzelpakete kosten je nach Qualität etwa zwischen 20 und 50 Euro, ein einzelnes Kettenblatt kostet je nach Größe und Qualität ebenso viel.“ Sehr hochwertige Schaltungen für Rennrad und Mountainbike lägen auch deutlich darüber. Nabenschaltungskomponenten seien günstiger.
Mit der Arbeitszeit im Fachgeschäft kommen für einen kompletten Tausch des Antriebs schnell mehr als 100 Euro zusammen, summiert Filippek. Bei sorgfältiger Wartung und schonendem Fahrstil überleben die Zahnräder nach seiner Erfahrung zwei bis drei Ketten.
Wie weit der Kettenverschleiß fortgeschritten ist, lässt sich mit einem Blick auf das größte Kettenblatt der Tretkurbel grob einschätzen: „Ziehen Sie die Kette an einer Stelle zwischen den eingehakten Gliedern hoch - wenn dabei die Zähne des Kettenblatts sichtbar werden, hat sie sich gelängt“, erklärt Fahrradexperte Fehlau. Wer es genauer wissen will, benötigt laut Filippek Spezialwerkzeug: Kettenchecker oder Kettenverschleiß-Messlehren kosten wenige Euro.
Eine leicht gelängte Antriebskette lässt sich bei Rädern mit Naben- oder ohne Gangschaltung einfach nachspannen. „Dazu löst man die Schrauben am Hinterrad und zieht es so weit nach hinten, dass sich der untere Kettenstrang noch jeweils einen guten Zentimeter nach oben und unten bewegen lässt, denn die Kette darf nicht zu stramm gespannt werden“, so Fehlau. Dann die Schrauben wieder festziehen.